Jens Dobbert, Präsident der Landesapothekerkammer in Brandenburg, gehört zu den wenigen Standesvertretern, die gelegentlich offen kritische Töne anschlagen, zumindest vorübergehend. Bei der Kammerversammlung in Potsdam rechnete er mit der Abda ab – und forderte mit Blick auf die kommende Legislaturperiode einen standespolitischen Neuanfang.
Dobbert leitete seinen politischen Bericht mit ernüchternden Zahlen ein: Ende September habe es nur noch 17.187 Apotheken gegeben – 384 Apotheken weniger als zu Beginn des Jahres. „Ich vermute, wir werden bis Ende des Jahres einen Verlust von 600 Apotheken erreichen“, warnte Dobbert. Auch in Brandenburg zeige sich der Rückgang: 532 Apotheken hätten Ende September das Bundesland versorgt, zu Beginn des Jahres seien es 543 gewesen. Der Kammerpräsident rechnet auch hier mit weiteren Schließungen.
2025 beginne mit großen politischen Unsicherheiten; Spekulationen über ein mögliches Regierungsvakuum bis zur Sommerpause. Die Wahlergebnisse in Brandenburg, Thüringen und Sachsen bewertet er als beunruhigend. In Brandenburg liefen intensive Verhandlungen zwischen SPD und BSW. Die gesundheitspolitischen Sprecher beider Fraktionen hätten signalisiert, dass sie die Einrichtung eines Pharmaziestudiengangs in Cottbus unterstützen wollten. Man habe zur Wahl gratuliert und versuche zurzeit, mit beiden Parteien ins Gespräch zu kommen.
In Reaktion auf die Plakate in Brandenburg habe sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Daniel Keller mit der Kammer in Verbindung gesetzt. In dem Treffen sei auch ein Termin mit den Bundestagsabgeordneten des Landes ins Spiel gebracht worden. Dieser sei aber bereits zwei Mal abgesagt worden. Ein dritter Termin sollte am 29. November stattfinden. Für einen Termin vor Ort sei auch hier eine Absage gekommen, stattdessen wurde ein Online-Termin angeboten, sofern „Gesprächsbedarf bestehe“.
„Wir spielen in den Gedanken der Politiker keine Rolle, wir sind da und funktionieren“, so Dobbert. Er glaubt nicht, dass ehrliches Interesse der Politik an den Gesprächen mit der Apotheken bestehe. Er stellte infrage, ob diese Gespräche überhaupt sinnvoll seien, zumal nicht klar sei, ob die Abgeordneten überhaupt wieder gewählt würden.
Der Termin der Abda-Spitze am vergangenen Freitag mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) war für Dobbert ernüchternd: „Da sitzen drei Leute aus dem BMG mit Bergen von Papier und dann sitzt da eine zusammengekauerte Präsidentin der Abda neben einem zusammengekauerten Professor Schulz. Wo ist unser Selbstbewusstsein? Das brauchen wir, sonst haben wir zukünftig noch ganz andere Probleme“, erklärte er. Ohne das selbstbewusste und klare Auftreten werde man auch den Nachwuchs vergraulen, meint er. „Wir müssen uns umstellen“, so Dobbert.
Aber: Die Abgabe von Arzneimitteln sei auch in Zukunft die Hauptaufgabe der Apotheken, alles müsse sich darum drehen, den Patienten zu versorgen. „Eine neue Vergütungssituation aufzubauen, ist nicht trivial“, so Dobbert. Denn: „Niemand wird mehr Geld mit der Gießkanne in die Apotheken stecken. Wir müssen die Köpfe zusammenstecken und uns davon verabschieden, dass wir 12 Euro pro Packung bekommen. Ich glaube, wir werden auch keine Erhöhung der 3 Prozent erhalten. Wir können froh sein, wenn es dabei bleibt“, so Dobbert.
Daher brauche man neue Finanzierungs- und Abrechnungssysteme. „Ich möchte nicht mit dem GKV-Spitzenverband in Verhandlungen treten, da gehen wir kläglich ein“, betont er. Das Bild des Porsche fahrenden Apothekers stecke immer noch in den Köpfen, und dieses Bild müsse ausgeräumt werden. „Wir müssen andere Wege finden, um unser Honorar zu generieren, wir dürfen nicht darauf hoffen, dass das Packungshonorar angehoben wird.“ Wenn etwa Sabine Dittmar (SPD) das Bundesgesundheitsministerium (BMG) übernehme, werde auch sie „kein Geld mit der Gießkanne ausschütten“.
Man müsse Richtung Service rund um Arzneimittel denken, weg von der packungsbezogenen Vergütung. Pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) seien ein Schritt in die richtige Richtung, hier schränke die übermäßige Bürokratie und der akute Fachkräftemangel aber die Möglichkeiten ein. Die Vergütung für das aufwendige Management von Lieferengpässen sei kaum kostendeckend – „es gleicht einem Hungerlohn“. Während die Umsätze in den Apotheken steigen, schrumpften die Gewinne. Diese Problematik scheine die Politik noch immer nicht ausreichend zu verstehen. „Es braucht dringend ein Umdenken!“
Das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) liegt auf Eis und die Notfallreform ist laut Dobbert „tot“. Möglicherweise habe auch die Abda einen kleinen Beitrag geleistet, doch dass es das ApoRG nicht ins Kabinett geschafft habe, sei maßgeblich der Arbeit der Länder zu verdanken, betonte Dobbert. Neben politischen Gespräche in Apotheken nannte er die Demonstrationen in Hessen sowie Sachsen und Thüringen und die Plakataktionen in Brandenburg als wichtige Erfolge.
Die „Totalverweigerung“, nicht auf die Reformen mit einem Gegenentwurf zu reagieren, bewertete Dobbert als Fehler. Zwar sei er entschiedener Gegner eines Modells der „Apotheke ohne Apotheker“, dennoch müssten Gedankenspiele zur Bewältigung des Fachkräftemangels geführt werden. „Diese Thematik zu diskutieren, muss doch möglich sein“, meint Dobbert.
Die Abda-Taskforce „Apotheke der Zukunft“ wurde im Juni gegründet. Dobbert kritisiert Verzögerungen bei der Bereitstellung von Folien, die erst nach mehrfachen Anfragen verfügbar gemacht wurden. Auch tiefgreifende Diskussionen im Gesamtvorstand hätten bisher nicht stattgefunden.
Er finde es gut, dass es neue Köpfe in den Gremien gebe, und sei gespannt auf die Mitgliederversammlungen bei Abda und Bundesapothekerkammer (BAK). „Wir müssen zukunftsorientiert arbeiten“, betonte er.