Sterbehilfe

Dignitas stellt Strafanzeige gegen Spahn

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Berlin -

Die Sterbehilfeorganisation Dignitas Deutschland hat gegen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Streit um Sterbehilfe Strafanzeige eingereicht. Dignitas wirft dem Gesundheitsminister Meineid und Rechtsbeugung vor. Im Juni hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgefordert, schwer kranken Patienten keine Medikamente für eine Selbsttötung zu genehmigen. Damit widersetzte sich das BMG gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG).

Die Bundesregierung verweigere die Umsetzung des Urteils „aus Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht“, erklärte Spahn als Begründung. In dem Verfahren Koch/Bundesrepublik Deutschland hatten die Richter des Bundesverwaltungsgerichts im März 2017 entschieden, dass schwerstkranken Patienten im bestimmten Ausnahmefällen den Anspruch haben, Natrium-Pentobarbital zu erhalten, um selbstbestimmt sterben zu können. Bereits der damalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erklärte öffentlich, alles daranzusetzen, dass dieses Urteil nicht in die Praxis umgesetzt werden wird.

Dignitas wirft Spahn vor, daran nichts zu ändern und das ihm unterstellte BfArM anzuweisen, alle entsprechenden Anträge abzuweisen. Das Institut habe bis zum heutigen Tag keinem einzigen der über 100 Anträge beschieden; weder positiv noch negativ. Da dies mit Wissen und auf Anordnung des Gesundheitsministers erfolgt sei, ist laut Dignitas Deutschland der Tatbestand des Meineides und der Rechtsbeugung gegeben. Bei seinem Amtsantritt habe Spahn den Amtseid geleistet. Damit sei Spahn als auch das ihm unterstellte Institut an höchstrichterliche Entscheidungen gebunden und begingen „andauernden Rechtsbruch durch das Ignorieren des Urteils vom 2. März 2017“. Den Vorwurf der Rechtsbeugung begründet Dignitas damit, dass dieser eine Entscheidung „zum Nachteil einer Partei, nämlich der durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes privilegierten Person“ getroffen habe.

In einem Interview mit der FAZ hatte Spahn gewarnt, dass aus dem Recht auf Sterbehilfe die Erwartung gegenüber dem Staat entsteht, dass dieses Recht auch genutzt werde. „Wenn es um Lebensschutz geht, bin ich gerne grundsätzlich“, sagte Spahn der FAZ: „Im Zweifel bin ich immer für das Leben, sofern es um staatliches Handeln geht.“ Aus diesem Grund habe er das BfArM aufgefordert, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorerst nicht anzuwenden.

Die Bundesregierung verweigere die Umsetzung des Urteils „aus Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht“, erklärte Spahn. Karlsruhe prüft, ob das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Gegen das im November 2015 beschlossene Gesetz sind zahlreiche Verfassungsbeschwerden anhängig. Spahn will die Position der Bundesregierung „im Lichte dieser Entscheidung“ erneut prüfen. Die anstehende Karlsruher Entscheidung werde Rückschlüsse auf die Interpretation des Leipziger Urteils zulassen. Nach seiner Rechtsauffassung könne ein Suizid keinen medizinischen Nutzen haben. „Selbsttötung ist keine Therapie“, so Spahn. „Sie ist vielmehr die unwiderrufliche Selbstzerstörung, nichts anderes.“

Der Bundesgesundheitsminister verwahrte sich gegen den Vorwurf, das Leid von Menschen zu bagatellisieren. Der Staat leiste seinen Beitrag dazu durch eine Verbesserung der palliativmedizinischen Versorgung. „Vermeidbarer Schmerz muss vermieden werden“, sagt Spahn. Auf diesem Gebiet sei in den vergangenen Jahren viel passiert, aber gerade im ländlichen Raum noch nicht genug: „Doch daran arbeiten wir.“ Laut Spahn wurden bisher 111 Anträge beim BfArM gestellt. Alle Antragsteller erhielten daraufhin einen Fragebogen, um ihre konkrete Lage zu schildern. Damit werde dem Willen des Bundesverwaltungsgerichts entsprochen. Das hatte in seiner Urteilsbegründung auf eine „extreme Notlage“ abgestellt. Jeder Fall müsse also individuell geprüft werden.

„Würden wir dem Gericht folgen, geriete staatliches Handeln in die Nähe geschäftsmäßiger Beihilfe zum Suizid – was der Gesetzgeber ausdrücklich unter Strafe gestellt hat“, so Spahn: „Mit diesem Konflikt kann ich als Minister die Mitarbeiter im Bundesamt nicht allein lassen.“ Das Bundesverwaltungsgericht habe nicht gesagt, dass ein Antrag genüge, sondern dass geprüft werden müsse. „Das läuft darauf hinaus, dass Staatsbedienstete am Ende entscheiden müssen, ob menschliches Leiden unerträglich ist. Diese Vorstellung halte ich für abwegig. Der Staat und seine Vertreter sollten in Fragen, bei denen es um Leben und Tod geht, nicht den Wert des Lebens beurteilen. Wo soll das enden?“, fragt sich Spahn.

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