Digitalisierung

Gesundheit geht vor Datenschutz

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Berlin -

Krankenkassen und Pharmaindustrie wollen die Daten der Versicherten für ihre Zwecke nutzen. Dazu müssten die Datenschutzgesetze allerdings an die heutige Zeit angepasst werden. Durch die Digitalisierung könne ein Mehrwert geschaffen werden, sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Katja Leikert bei einer Veranstaltung des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Die Politik müsse die nötige Infrastruktur herstellen, so Leikert, in ihrer Fraktion für das Thema E-Health zuständig.

„Die Digitalisierung ist ein Heilsbringer“, so Joss Hertle, Industry Head Healthcare bei Google. Heute könnten etwa Ärzte per Video Kontakt zu weit entfernten Patienten aufnehmen. Auf diese Weise werde die Versorgung der Bevölkerung auf dem Land gestärkt. In anderen Ländern wie Dänemark sei dieser Prozess bereits weiter fortgeschritten. Dort sei ein neues Telematikgesetz verabschiedet worden, das die Digitalisierung im Gesundheitswesen beschleunige.

Auch in Finnland gebe es die Bestrebung, vom Papierrezept auf ein digitales Format zu wechseln, so Hertle. Doch nicht alle möglichen Medien seien in der Gesundheitsbranche relevant. „Die App ist in Gesundheitsfragen überbewertet“, so Hertle. Der Kranke nutze eine Suchmaschine für sein akutes Problem und schaue nicht nach, ob er zufällig bereits in der Vergangenheit eine passende App heruntergeladen habe.

Daten, die Konzerne wie Google sammeln, sind für die Pharmaindustrie spannend. Laut BPI-Chef Dr. Martin Zentgraf könnten neue Arzneimittel entwickelt oder auf dem Markt befindliche besser beobachtet werden. Doch der Datenschutz verhindert eine Auswertung im großen Stil bislang.

Leikert zufolge landen einige der Informationen bereits in Registern, die jedoch nicht für die Industrie zugänglich seien. Das müsse sich mit Blick auf die Weiterentwicklung ändern, so Leikert. „Datensicherheit allein hat ja noch keinen Nutzen“, sagt die Politikerin. „Wir wollen die Daten fruchtbar machen für die Forschung.“

Außerdem fordert Leikert, alle Kassen sollten ihren Versicherten die eigenen Daten zur Verfügung stellen, beispielsweise in Form elektronischer Akten. Dies sei noch immer nicht überall der Fall. Auch Dr. Ulf Maywald, Bereichsleiter Arzneimittel bei der AOK Plus, unterstützt eine weitere Nutzung der Daten. Die entsprechenden Gesetzte seien alle aus der Zeit der Floppydisk und müssten an die heutige Zeit angepasst werden. Die Kassen wollten „einen sinnvollen Umgang mit den Daten zum Wohle der Versicherten“.

Maywald würde die elektronische Gesundheitskarte (eGK) gern aufwerten, indem zum Beispiel der Impfausweis auf ihr gespeichert wird. Diese Ausweise gingen regelmäßig verloren. Es sei daher sinnvoll, wichtige Daten zentral bei der Krankenkasse zu speichern. Im Bedarfsfall könne die Kasse verlorene Karten vollständig ersetzen. Leikert sagt, die eGK lege lediglich eine Infrastruktur fest. Die Plastikkarte müsse keine komplette Patientendatei enthalten. Notfalldaten wie Allergien oder die Blutgruppe müssten dort aber hinterlegt werden. Sie könnten im Notfall Leben retten.

Als Teil der Digitalisierung des Gesundheitsmarktes wurde das Modellprojekt ARMIN in Sachsen und Thüringen angeführt. Das größte Problem bei der Etablierung sei die Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker gewesen, erklärt Maywald. „Seit 800 Jahren reden Ärzte und Apotheker nur über- und nicht miteinander.“ Die Blockadehaltung der beiden Berufsgruppen zu überwinden, sei eine Herausforderung gewesen. Sie habe dazu geführt, dass einzelne Interessengruppen das gesamte Projekt ausgebremst hätten.

Maywald hält ARMIN noch immer für erforderlich: „Der Arzt hat es nötig, dass Apotheker die Zeit investieren, die ihm selbst fehlt. So kann jeder das machen, was er am Besten kann.“ Gerade in ländlichen Regionen, in denen die Arztdichte besonders niedrig ist, sei eine Unterstützung der Mediziner notwendig. Der Arzt habe keine Zeit, alle Medikamente, die der Patient im Badezimmerschrank gefunden habe, zunächst sortiere und aufliste. Maywald, selbst Apotheker, fordert daher eine gute Zusammenarbeit der Heilberufler.

Laut Maywald verschreiben Ärzte häufig einfach das erste Präparat aus ihrer Software. Sie wählten zwar Wirkstoff und Wirkstärke aus, doch der Hersteller sei zumeist beliebig. In der Apotheke gebe es im Anschluss viele Diskussionen, da das pharmazeutische Personal wegen der Rabattverträge substituieren muss. Sogar Falschabgaben würden unterstellt. Durch den Wechsel zur reinen Wirkstoffverordnung bei ARMIN hätten sich diese Probleme in Luft aufgelöst, so Maywald. Dadurch würden Arzt und Apotheker um unnötige Diskussionen mit Versicherten entlastet.

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