Digital Health

Spahn: Video-Sprechstunde zulassen

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Berlin -

Vor drei Jahren hatten Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) den Gesundheitsteil des Koalitionsvertrages außergewöhnlich kleinteilig verhandelt und zu Papier gebracht. Heute arbeitet Spahn mit schickem Dienstwagen als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium – und hat dazugelernt. Das im Vertrag zementierte Fernbehandlungsverbot hält er „nicht für das Klügste“. Inzwischen hat er als Co-Autor ein kleines Buch mit dem Titel „App vom Arzt“ mitgeschrieben. Darin machen sich die Verfasser für „bessere Gesundheit durch digitale Medizin“ stark. Dazu gehört auch die Video-Sprechstunde.

„Wir werden klarstellen, dass Voraussetzung für die Erstverschreibung von Arzneimitteln ein direkter Arzt-Patienten-Kontakt sein muss. Online-Konsultationen reichen dafür nicht aus, sondern bergen das Risiko von Fehldiagnosen und können so den Patientenschutz gefährden“, heißt es wie in Stein gemeißelt im Koalitionsvertrag. Der Passus zielte ab auf Angebote wie DrEd und geht auf den ehemaligen Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) zurück. Passiert ist bis heute nichts. Mit der vorgelegten AMG-Novelle will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) aber noch das Fernbehandlungsverbot klarstellen: Vor der Ausstellung eines Rezeptes muss danach ein „direkter“ Arzt-Patienten-Kontakt stattfinden.

„Das würde ich heute nicht mehr so in den Koalitionsvertrag schreiben“, sagt Spahn drei Jahre später. In Deutschland werde vielmehr zu zaghaft über die Vorteile und Chancen von Digital Health diskutiert. Big Data verbessere die Versorgungsmöglichkeiten für die Patienten. „Es geht um Lebensrettung und Lebensqualität“, so Spahn. Dass das für manchen Arzt eine Provokation ist und seine Vormachtstellung im Gesundheitswesen tangiert, stört ihn nicht. „Die Versorgung wird sich fundamental verändern.“

Mit dem Datenschutz gingen viele Facebook-Nutzer schon heute lasch um, forderten aber Verbote bei der Nutzung von Gesundheitsdaten. Das Tabu will Spahn mithelfen aufzulockern und glaubt an einer Stimmungswandel: „Ich habe mein Abitur 1999 noch ohne Google gemacht. Deshalb halten mich die heutigen Schüler schon für einen Opa“, sagte der 36-jährige. Mit seinem Buch habe er deshalb „sehr stark die Chancen von Digital Health in den Blick genommen“. In Teilen der Bevölkerung gebe es noch „kein Gespür dafür, was sich in den nächsten zehn Jahren verändert“. Das will Spahn ändern.

Noch radikaler beschreibt Co-Autor Markus Müschennich seine Erwartungen an Digital Health. „Wir treten in eine neue Art der Medizin ein.“ Müschennich ist Kinderarzt und Gesundheitswissenschaftler. 2014 brachte er mit dem Startup Caterna Vision die weltweit erste „App auf Rezept“ auf den Markt für eine von der Barmer GEK bezahlte digitale Therapie gegen eine kindliche Augenerkrankung.

Deutschland liege beim Einsatz von Digital Health „sehr weit zurück“, lautet seine Diagnose. Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) ist aus seiner Sicht eine überholte Technik und gehört besser in die Mülltonne: „Wir brauchen die eGK nicht“, ist Müschennich überzeugt. Die könne man getrost ignorieren. „Apple und Google werden mehr Menschenleben retten als die Gematik.“

Digital Health ist für Müschennich ein weltweites Projekt. Für den deutschen Markt mit 80 Millionen Bürgern werde niemand eine App programmieren. Wie die Unternehmen werde sich auch die Medizin globalisieren, glaubt der Mitautor von Spahn. Mit der Telemedizin sei es demnächst „völlig egal, wo der Arzt sitzt“. Es gebe pro Jahr 590 Millionen Arztkontakte in Deutschland. Mindestens 10 Prozent davon müssten nicht Vis-à-vis stattfinden. Dafür will Müschennich weitere Apps entwickeln. Für Migräne-Patienten und Patienten mit Depression sind Apps bereits in der Pipeline. Auch für Spahn gibt es beim Thema Digital Health kein zurück mehr: „Wenn wir nichts hinkriegen, nutzen die Leute Apple und Google. Hauptsache einer macht es.“

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