In der Corona-Krise haben viele Apotheken ihren Botendienst massiv ausgebaut. Die Politik hat reagiert, der Service wird zeitlich befristet mit einem Zuschuss vergütet. Dr. Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover, forderte bei einem Live-Talk der Apothekerammer Westfalen-Lippe (AKWL), die Leistung dauerhaft in die Regelversorgung zu überführen.
Aus den Zahlen und Trends der vergangenen Monate lasse sich ablesen, dass die Faktoren „Nähe“ und „vor Ort“ gewonnen hätten, so Diener. „Die Menschen gehen wieder vermehrt in die Apotheken am Stadtrand oder auf dem Lande.“ Zudem hätte die Zahl der Botendienste rasant zugenommen: „Viele Apotheken, die sonst fünf oder sechs Patienten pro Tag beliefert haben, kommen mitunter auf über 100 Botendienste.“ Nun sei es wichtig, die Honorierung des Botendienstes dauerhaft zu erhalten: „Der Botendienst ist eine notwendige Regelleistung und muss daher auch vergütet werden“, fordert Diener.
Dramatische Veränderungen erwarte der Apotheken-Ökonom auch mit flächendeckender Einführung des E-Rezepts im Jahr 2022 nicht, da das wichtige Makelverbot geregelt sei und den Kunden durch die Apotheke vor Ort ein Postweg erspart werde. „Wenn es keine interessengeleitete Rezeptsteuerung gibt, dann wird sich die Apotheke vor Ort gegen den Versandhandel behaupten“, ergänzte AKWL-Präsidentin Gabriele Overwiening.
Die digitalen Zeiten würden auch zu veränderten Arbeitsbedingungen führen, so Diener weiter. Hier müsse jede Apotheke für sich Lösungen finden, um beispielsweise mit dem neuen Kundentypus des „Fernbestellers“ umzugehen: „Der Fernbesteller wird seine Verordnung einlösen, ohne eine Offizin zu betreten. Damit wird zum Beispiel der Botendienst ein wichtiges Wettbewerbselement“, so Diener. Zugleich würden flexible Arbeitszeitmodelle wichtig.
Overwiening stimmte zu, die Apotheken müssten nun selbst aktiv zu werden: „Wir müssen die Digitalisierung proaktiv gestalten und dürfen sie nicht über uns ergehen lassen“, so die Kammerpräsidentin. „Wenn wir sehen, wie erfolgreich die Apotheken die Corona-Krise bewältigt haben, dann werden sie auch die Gestaltungsspielräume der Digitalisierung im Sinne ihrer Patienten nutzen.“
Den Live-Vortrag verfolgten nach Kammerangaben 350 Mitglieder und Gäste, mehr als 200 davon nahmen am Online-Voting teil, knapp 50 Fragen wurden eingereicht: „Eine solche Resonanz hätten wir bei einer Präsenzveranstaltung unter der Woche kaum erreicht“, zog Overwiening ein durchweg positives Fazit.
Am morgigen Mittwoch (3. Juni) findet die Kammerversammlung der AKWL erstmals digital stattfinden. In diesem Rahmen soll es auch wieder eine Fragerunde geben, an der sich auch Nichtmitglieder beteiligen können. Kammerpräsidentin Gabriele Overwiening und Hauptgeschäftsführer Dr. Andreas Walter referieren und stellen sich den Fragen der Zuschauer. Thematisch geht es um die Anbindung der Apotheken an die Telematik-Infrastruktur, Impfungen in Apotheken sowie die im Umlaufverfahren gefassten Beschlüsse der Kammerversammlungsmitglieder.
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