Die Zeiten der Teppichhändler Lothar Klein, 06.01.2018 08:39 Uhr
Jetzt brechen die Zeiten der politischen „Teppichhändler“ an. In den neu gewählten Fraktionen gibt es viele einflussreiche Positionen zu besetzen: Die Sprecher für die einzelnen Politikfelder müssen ebenso bestimmt werden wie die Besetzung der Ausschüsse. Gerangel wird es um die Ausschüsse geben. Denn mit FDP und AfD erheben zwei weitere Fraktion Anspruch darauf. Für die Apotheker interessant und von Bedeutung sind der Gesundheitsausschuss und die gesundheitspolitischen Sprecher. Bei der Union wird es einen Wechsel geben. Und bei der SPD wirft Edgar Franke seinen Hut in den Ring.
In der übernächsten Woche werden die Personaltableaus in den Fraktionen festgezurrt. Dann kommen die Abgeordneten zu ihrer ersten Sitzungswoche im neuen Jahr nach Berlin. Weil die Regierungsbildung so lange dauert, sollen schon zuvor die Posten verteilt werden. Normalerweise läuft das Verfahren umgekehrt: Die einflussreichen Parlamentsämter werden erst nach der Ressortverteilung besetzt.
Deswegen stecken im aktuellen Verfahren persönliche Karriererisiken. Wer jetzt einen Posten erhält, kommt für Regierungsämter nicht mehr in Frage. Man muss sich entscheiden, es wird gepokert. Die sogenannten „Teppichhändler“, die Geschäftsführungen der Fraktionen, dealen die einflussreichen Positionen in ihren Fraktionen und mit den anderen Fraktionen aus. Das wird in den kommenden beiden Wochen parallel zu den Sondierungsgesprächen geschehen.
Bei der Union ist immerhin klar, dass es nach dem Ausscheiden von Maria Michalk (CDU) einen neuen Gesundheitspolitischen Sprecher geben muss. Dieser koordiniert in der AG Gesundheit die parlamentarischen Abläufe. Gute Chancen auf diese Position werden Karin Maag nachgesagt. Maag arbeitete bereits die letzten vier Jahre als Mitglied im Gesundheitsausschuss. Allerdings: Im September wurde Maag zur Vorsitzenden der Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewählt. Normalerweise schließen sich der Vorsitz einer sozialen Gruppe und der Sprecherposten für einen Fachbereich aus.
CDU-Gesundheitsexperte und Arzneimittelexperte Michael Hennrich übt das Amt kommissarisch aus, will aber nicht dauerhaft Gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion werden, weil er in Baden-Württemberg für den Haus- und Grundverband aktiv ist. Aber als Obmann im Gesundheitsausschuss möchte er seine Arbeit fortsetzen. Da aber Maag und Hennrich aus Baden-Württemberg stammen, gibt es Probleme mit dem landsmannschaftlichen Proporz in der Union. Das Handicap träfe auch Annette Widmann-Mauz, falls sie als Staatssekretärin das Bundesgesundheitsministerium verlassen müsste.
Mehr noch: Wolfgang Schäuble und Volker Kauder haben als Baden-Württemberger mit dem Bundestagspräsidentenposten und dem Fraktionsvorsitz ebenfalls bereits wichtige Posten inne. Das könnte das Gesamtgleichgewicht zusätzlich belasten. Und die NRW-Landesgruppe drängt nach dem Wahlerfolg bei der Landtagswahl im Frühjahr auf größeren Einfluss in der Fraktion und im Regierungsapparat. Hermann Gröhe (CDU) wird wohl Minister bleiben, ob im Gesundheitsressort ist aber fraglich, weil dieses von der SPD beansprucht wird. Da eine Balance zu finden, ist nicht einfach.
Genauso unübersichtlich ist die Lage bei der SPD: Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist bereits als für Gesundheit zuständiger Fraktionsvize wiedergewählt, aber auch als Gesundheitsminister im Gespräch. Dass Hilde Mattheis erneut als Gesundheitspolitische Sprecherin kandidiert, ist wahrscheinlich. Offiziell will sie sich noch nicht dazu äußern. Interesse für dieses Amt angemeldet hat hingegen Edgar Franke (SPD), in der letzten Legislaturperiode Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, falls er diesen Posten nicht wieder erhalten kann.
Denn noch komplizierter ist die Besetzung der Ausschüsse. Mit FDP und AfD erheben jetzt sieben Parteien Ansprüche für den Vorsitz eines der über 20 Ausschüsse. Normalerweise erhält die größte Oppositionsfraktion den Vorsitz des wichtigen Haushaltsausschusses, der über die Regierungskasse wacht. Sollte die SPD doch wieder eine Große Koalition eingehen, fiele der Ausschuss nach dieser Rechnung an die AfD, da sie mit 90 Abgeordneten vor der FDP die stärkte Oppositionsfraktion stellen würde.
Damit finge der Ärger an. Das Gerangel um die Besetzung des der AfD zustehenden Amtes des stellvertretenden Bundestagspräsidenten lässt erahnen, dass die Zurordnung der Ausschüsse für erhebliche Probleme sorgen wird. Überlegungen gehen dahin, der AfD ersatzweise den Kultur- oder Sportausschuss anzubieten.
Jeder Ausschuss besteht aus einem Vorsitzenden, einem Stellvertreter sowie einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern, die wiederum je einen Stellvertreter haben. Die Anzahl der Mitglieder ist von Ausschuss zu Ausschuss unterschiedlich und richtet sich nach dem zu erwartenden Arbeitsaufwand. Die Sitze im Ausschuss werden entsprechend dem Kräfteverhältnis im Plenum verteilt. Proportional zu ihrem Anteil im Bundestag hat jede Fraktion Anspruch auf eine bestimmte Zahl von Mitgliedern in den Ausschüssen. Welcher Abgeordnete in welchem Ausschuss mitarbeitet, entscheiden die Fraktionsführungen.
Wie die Ausschüsse zu ihren Vorsitzenden und Stellvertretern kommen, handeln die Fraktionen in der sogenannten „Teppichhändlerrunde“ untereinander aus. Kommt es zu keiner Einigung – wie schon nach der letzten Wahl –, erfolgt die Vergabe nach einer mathematischen Formel nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen. Diese legt dann fest, in welcher Reihenfolge die Fraktionen ihre Besetzungswünsche angeben können.
Auch die Liberalen haben noch keine Personalentscheidungen für die Postenvergabe getroffen. Als gesetzt gilt Christine Aschenberg-Dugnus, die schon früher Mitglied im Gesundheitsausschuss und Pflegepolitische Sprecherin war. Sie könnte jetzt die Gesundheitspolitik für die FDP vertreten. Ambitionen in der Gesundheitspolitik werden auch Andrew Ullmann aus Bayern nachgesagt.
Bei den Linken sind einige Veränderungen programmiert: Die bisherige Gesundheitspolitische Sprecherin Kathrin Vogler kümmert sich jetzt um Außen- und Verteidigungspolitik. Ihr Interesse an der Gesundheitspolitik hat bereits die einzige Apothekerin im Parlament, Sylvia Gabelmann, angekündigt. Sie könnte in die Fußstapfen von Vogler treten. In der Gesundheitspolitik weiterarbeiten will auf jeden Fall Harald Weinberg. Bei den Grünen dürfte Maria Klein-Schmeink Gesundheitspolitische Sprecherin bleiben, Aber auch hier sind noch keine Entscheidungen gefallen.