Video-Interview BPI

„Die Verordnung macht keinen Sinn“ Désirée Kietzmann, 07.01.2011 18:07 Uhr

Berlin - 

Die Novellierung der Packungsgrößenverordnung hält die komplette Branche auf Trab. Während sich die Apotheken mit falschen Meldungen in der EDV herumärgern, prüfen die Hersteller, ob sie ihre Packungen angesichts weiterer bevorstehender Änderungen überhaupt umstellen sollen. Im Interview mit APOTHEKE ADHOC spricht Henning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), über die Herausforderungen der Umstellung für die Industrie.

ADHOC: Wie bewerten Sie die Packungsgrößenverordnung?
Fahrenkamp: Jetzt zum Januar die Spannweitenkorridore einzuführen und dann möglicherweise zum März nochmal eine Veränderung durchzuführen, macht absolut keinen Sinn. Das muss man einfach so sagen. Insofern bedauern wir es zutiefst, dass der angekündigte Diskurs über die Sinnhaftigkeit der Änderung nicht mit dem ausreichenden zeitlichen Vorlauf geführt wurde. Das Chaos, das dadurch bei den Verordnern, bei den Apothekern, aber auch bei den Patienten angerichtet wird, ist absolut kontraproduktiv.

ADHOC: Wie konnte es zu falschen Meldungen der Hersteller kommen?
Fahrenkamp: Ich kann nicht beurteilen, ob tatsächlich fehlerhafte Kennzeichnungen an die IFA gemeldet worden sind. Man muss aber auch Verständnis dafür haben, dass das Ganze unter einem enormen Zeitdruck passiert ist. Die Hersteller standen zum einen vor der Frage, ob sie einen Antrag zur Änderung der Messzahlen stellen sollen. Zum anderen musste die Entscheidung für die Herausnahme der N-Kennzeichnung bis zum 7. Dezember letzten Jahres erfolgen, damit die IFA-Datenbank zum 1. Januar auch auf dem aktuellen rechtlichen Stand ist. Da haben die Unternehmen Riesenanstrengungen geleistet, um in diesem zeitlich engen Korridor zu bleiben. Und da kann das eine oder andere Mal durchaus ein Fehler passieren. Ich denke, dass das aber nachgebessert wird.

ADHOC: Was passiert mit Rabattarzneimitteln ohne N-Größe?
Fahrenkamp: Die Rabattverträge, die sich auf die N-Kennzeichnung beziehen, werden ein echtes Problem werden. Ich denke, dass die Ärzte verstärkt dazu übergehen, konkrete Zahlen zu verordnen, also nicht mehr N2, sondern dann 60 Tabletten von Produkt XY, die dann untereinander auch austauschbar sind.


ADHOC: Was ist die Herausforderung für die Industrie?
Fahrenkamp: Was machen Sie als Hersteller? Sie haben jetzt ihre N-Kennzeichnung abgemeldet, weil sie nicht mehr im Korridor liegen. Jetzt wird die Messzahl zum 1. März verändert, dann müssen Sie eine neue Packungsgröße machen. Und der Wahnsinn findet seinen Höhepunkt im Juli 2013, wo dann wirkstoffbezogen reichweitenorientierte Packungsgrößen kommen sollen. Wenn Sie zu diesem Zeitpunkt wiederum nicht in dem Korridor liegen, können Sie ihre Packungslinie noch einmal umstellen. Das heißt: Packmaterial wegschmeißen, Blisteranlagen und ganze Fertigungsstraße umrüsten. Das ist ein wahnsinniger Aufwand, der nichts nützt.

ADHOC: Wo liegen die regulatorischen Probleme?
Fahrenkamp: Die Zulassung ist ein ganz entscheidender Punkt. Es gibt viele Präparate, die europäisch zugelassen sind. Da können Sie nicht einfach sagen, ich mache aus 100 jetzt mal 90. Das ist ein Verfahren, das Sie in einem halben Jahr Übergangsfrist gar nicht bewältigen können. Und besonders interessant wird es bei Arzneimitteln, die in einem Medical Device sind, Asthmasprays zum Beispiel: Da können Sie nicht plötzlich aus einer Verpackung mit 400 Hüben 300 Hübe machen. Da brauchen Sie eine völlig neue Verpackung. Das heißt, Sie müssen neue Stabilitätstest machen. Das ist nicht in einem Viertel- oder in einem halben Jahr möglich. Anschließend müssen Sie den Antrag einreichen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, das dann darüber bescheiden muss. Das ist ein Wahnsinn vor dem Herrn.