Kein Personal, keine Nachfolger, kein Internet – keine Perspektive? Landapotheker haben es in manchen Belangen schwerer als ihre Kollegen in den Großstädten. Apothekerin Ulrike Finger aus dem sächsischen Elstra kann davon ein Lied singen. Diese Woche hatte sie die Möglichkeit, ihre Sorgen der Landespolitik zu erklären: Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) besuchte ihre Marien-Apotheke, weil sie die Aufmerksamkeit gezielt auf die ländlichen Regionen lenken will.
„Die Situation ist prekär“, erklärte Finger der CDU-Politikerin und meint das ganz große Problem in ihrer Region, den Fachkräftemangel. „Ich konnte das ganz konkret machen, weil ich in den letzten Jahren immer wieder Stellenausschreibungen formulieren musste. Man hat ja gar nicht mehr die Möglichkeit, zwischen Bewerbern auszuwählen.“ Statt auf Besserung zu hoffen, dominiert dabei die Sorge vor einer anstehenden Verschlimmerung, denn die Zeit rückt immer näher, in der die letzten Pharmazieingenieure in Rente gehen. Sie selbst habe auch zwei von ihnen und beide sind über 50. „Es ist sehr gut, dass wir dieses Personal haben, das teilweise vertretungsberechtigt ist. Ohne die könnten wir das hier nicht stemmen“, wertschätzt Finger die Kollegen. „Aber es ist leider ein aussterbender Berufsstand.“
Deshalb müsse man sich auch dafür einsetzen, mehr Pharmaziestudienplätze zu schaffen, da sei die Situation in Sachsen nämlich bisher überschaubar. Einen Masterplan habe sie auch nicht, aber sie denke gelegentlich an ihre eigene Ausbildung zurück: „Ich habe 1989 mein Pharmaziestudium beendet, danach gab es eine dreijährige Verpflichtung“, erzählt sie. „Da haben wir kurz vor Ende des Studiums unseren Lenkungsort erfahren. Dann wurde manchmal erst die Karte rausgeholt und nachgeschaut, wo das überhaupt ist. Da sind bei manchen auch Tränen geflossen.“ Das sei natürlich heute keine Option mehr. „Die Freiheit der Menschen ist eines der höchsten Güter, die es gibt“, betont sie, „aber ich bin ehrlich gesagt auch nicht daran gestorben.“
Eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Arbeit auf dem Land hingegen, wie es sie beispielsweise seit kurzem bei Medizin-Studenten in Nordrhein-Westfalen gibt, kann sich die sächsische Ministerin nach eigenem Bekunden auch bei Apothekern vorstellen. „Diese Angebote müssen wir auf junge Pharmazeuten ausweiten und mit den Kommunen weiterentwickeln“, zitiert sie die Sächsische Zeitung. Doch noch wichtiger, so rekapituliert Finger den Politikerbesuch, sei der Ministerin eine strukturelle Förderung ländlicher Regionen.
Die könnte die Region im Osten des Freistaats tatsächlich gebrauchen. Elstra hat das Stadtrecht, ist aber mit gerade einmal noch 2000 Einwohnern ein der kleinsten Städte Deutschlands. Zusammen mit den eingemeindeten Orten im Umkreis sind es rund 2700 Einwohner, Tendenz fallend. „Ich bin inzwischen zusammen mit einem Elektroladen das einzige Geschäft hier am Markt“, erklärt Finger. „Als ich 1991 hierher gekommen bin, gab es hier zig Geschäfte im Ort. Heute ist hier gar nichts mehr.“ Deshalb brauche es lokalen Aufschwung, so die Ministerin beim Besuch. Deshalb müsse man da „ein Paket für ländliche Regionen schnüren“: Arbeitsplätze, Schulen, Kindergärten, Infrastruktur, alles Hand in Hand, damit wieder mehr junge Menschen in die Region kommen. Denen müsse man auch die Vorteile klar machen: Die angespannte Wohnungssituation, die mittlerweile als eines der größten Probleme des Landes gilt, kenne man in der Gegend beispielsweise gar nicht.
Dafür andere Probleme, die den Apotheken das Leben schwer machen – das schlechte Internet beispielsweise. „Den Apothekern wird ja oft konservatives Denken vorgeworfen, aber gerade was technische Entwicklungen angeht , verschließet sich die Apothekerschaft doch aber eigentlich nie. Aber die Voraussetzung dafür ist, dass wir eine funktionierende Internetinfrastruktur haben!“ Doch die ländlichen Gebiete seien schlicht unterversorgt, vor allem mit der Stabilität gebe es Probleme. „Bei uns hier merke ich im normalen Betrieb glücklicherweise nicht so viele Einschränkungen, aber in anderen Gegenden sieht es da sehr viel schlechter aus.“ Sie wisse von Kollegen, bei denen teilweise vorkam, dass den ganzen Tag das Internet ausgefallen ist – den gesetzlichen Anforderungen entsprechend kann man so nicht arbeiten. „Das ist etwas, das können wir uns gar nicht leisten!“
Sie habe das Gefühl, dass sie Klepsch die Situation vor Ort sehr gut habe klarmachen können, inklusive der Rolle der Apotheke. „Man ist hier nicht nur Apotheker, man ist noch viel mehr im Ort“, sagt Finger. Vor allem angesichts der hohen Altersstruktur spielten Vertrauen und Beratung eine große Rolle. Das habe die Ministerin ganz genauso gesehen: „Die Apotheke auf dem Land ist weit mehr als reine Arzneimittelversorgung“, habe sie betont.
Die Ministerin habe ihr versprochen, dass sie sich für die Belange der Vor-Ort-Apotheken auf dem Land stark machen wird, erzählt Finger. Und das hält sie für keine Floskel. Tatsächlich ist aus Sachsen bekannt, dass zwischen Gesundheitsministerium und Standesvertretung der Apotheker ein gutes Verhältnis und ein enger Draht besteht – was bekanntlich nicht überall in Deutschland der Fall ist. Auch in einem auf den Apothekenbesuch folgendem Gespräch mit mehreren weiteren Apothekeninhabern aus der Region habe sich die Ministerin offen und sehr kompetent gezeigt. „Es war sehr gut, dass man dabei das Gefühl hatte, miteinander zu reden – die Betonung liegt dabei auf miteinander“, so Finger.
Intensiv und konstruktiv sei die Gesprächsrunde gewesen. „Sie hat keine Allgemeinplätze abgegeben. Natürlich müssen manche Dinger offen bleiben, sie kann uns nichts versprechen, was sie nicht halten kann.“ Sie habe aber betont, die Landesregierung habe erkannt, dass die Apotheken auf dem Land wegsterben und dass man nun neben der Ärzteschaft auch die Apothekerschaft und ihre Anliegen in den Blick nehmen müsse. Deshalb wolle sie sich auch für die Wiederherstellung einer Gleichpreisigkeit von Präsenz- und Vor-Ort-Apotheken einsetzen. Finger jedenfalls ist sich sicher: „Die sächsischen Apotheker dürfen die Sozialministerin auf ihrer Seite wissen.“
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