Bevor Karl Lauterbach (SPD) zu den Apotheken kommt, sind Nobelpreisträger in Physik und Chemie, KI, die Krankenhausreform und die überbordende Bürokratie bei den Hausärzt:innen sein Thema. Aber nach ein paar Minuten kam der Gesundheitsminister beim Deutschen Apothekertag (DAT) doch noch auf die Apothekenreform zu sprechen – „die Reform, die Sie sich immer gewünscht haben“. Auch wenn er an seinen Plänen für Telepharmazie festhalte, werde er in Kürze mit einem neuen Vorschlag auf die Apotheken zukommen.
Lauterbach, der per Video zugeschaltet ist, spricht gleich zu Beginn des DAT in München. Er räumte ein, dass es Verzögerungen gebe. „Der Beratungsbedarf geht zum Teil auch auf Ihre Proteste zurück.“ Er wolle aber die Pläne einmal „kontextualisieren“. Es gebe zwei Bereiche: Die kurzfristige Regelung ziele auf eine bessere Bezahlung der Notdienste ab, es gebe Überbrückungsmaßnahmen für die nächsten zwei Jahre.
Langfristig sei aber die Verhandlungslösung geplant – „eigentlich die Reform, die Sie über viele Jahre gefordert haben“. Ab 2026 könnten die Apotheken die Honorare mit den Kassen verhandeln, analog zum Orientierungswert bei den Ärztinnen und Ärzten. Ähnlich habe man es bei anderen Heilberufen bereits gemacht, „das waren Reformen, die den Leistungserbringern viel gebracht haben“, so Lauterbach. Als Beispiel nannte er die Heilmittelerbringer.
Die Apotheken kämen aus dem starren System heraus, das sie zurecht beklagten. „Das ist der letzte Bereich mit einer sich nicht ändernden Pauschale.“ Er habe sich immer gewundert, dass die Apotheken ihre Vergütung so selbst eingefroren hätten.
Das von der Abda geforderte Fixum von 12 Euro sei eine unrealistische Höhe gewesen, aber die Apotheken sollten der Preisentwicklung und Inflation nicht immer hinterher laufen. „Dass Apotheken jetzt wenig Honorar erhalten, können Sie mir doch nicht vorwerfen.“
Er verteidigte seine Pläne für Telepharmazie: „Es ist ein vergebener Kampf, wenn man versucht, Digitalisierung aus Apotheken fernzuhalten. Ich verstehe Ihren Protest, aber dass alles beim Alten bleibt, funktioniert nicht.“
Er achte den Apothekenberuf sehr, daher finde er es gut, dass die Delegierten im weißen Kittel dasäßen, „das finde ich auch angemessen“. Apotheker seien hochqualifiziert, sie seien für Impfungen eine wichtige Anlaufstelle und sollen im Gesundes-Herz-Gesetz (GHG) auch eine Beratungsrolle übernehmen. Auch bei der elektronischen Patientenakte (ePA) sollen sie aus seiner Sicht über Apoident eine wichtige Rolle spielen.
„Wir sind nicht daran interessiert, den Versandhandel weiter auszubauen, die Apotheke vor Ort ist für uns wichtig.“ Aber die Beratung durch den Apotheker oder die Apothekerin könne zu bestimmten Bedingungen auch telepharmazeutisch erfolgen. „Hier haben wir einen Dissens. Die Debatte ist aber im Großen und Ganzen sachlich.“
Er verteidigte seine Haltung, dass es keine reine Honorarreform geben wird. „Wir haben keine gute Erfahrung damit gemacht, ein nicht funktionierendes System dadurch zu stabilisieren, dass wir noch mehr Geld in die Hand nehmen.“ Solche Reformen habe er in allen Bereichen abgelehnt. „Denn das würde den Druck für eine Strukturreform nehmen.“ Nur eine Honorarerhöhung bringe nichts. „Das wird nicht passieren.“ Entweder man einige sich auf ein Gesamtpaket – „oder wir müsse eben noch länger verhandeln“.
Lauterbach: „Ich hoffe, dass wir die Reform gemeinsam auf den Weg bringen. Wir werden mit einem neuen Vorschlag auf Sie zukommen.“ Er würde sich freuen, wenn man dieses Gesetz noch hinbekomme. „Ich bin zuversichtlich. Wenn nicht, geht mir die Arbeit nicht aus.“
Vorschlag sei im Übrigen nicht, Apotheken ohne Apotheker einzuführen – „der Apotheker muss nur nicht in Präsenz sein, aber er muss seine apothekerlichen Tätigkeiten erfüllen“. Er sehe dies analog zu Telepharmazie – „ärztliche Beratung ist auch ärztliche Leistung, wenn digitale Behandlung stattfindet“. Die Qualität werde stimmen, „es ist weiterhin eine Apothekenleistung, der Unterschied ist nur, dass die Leistung digital erbracht wird“.
Es sei nicht realistisch, dass man mit der jetzigen Struktur mit einem Apotheker, der rund um die Uhr anwesend ist, alle Apotheken erhalten könne. „Mir ist es lieber, dass in diesen Bereichen eine Apotheke ist, in der der Apotheker ein bis zwei Tage in Präsenz und sonst digital zugeschaltet ist, als keine Apotheke zu haben.“
Komme die Reform nicht, werde es weniger Apotheken geben. „Es gibt eine abnehmende Bereitschaft, sich auf dem Land niederzulassen, wenn man täglich in der Apotheke sein muss.“ Man könne diesen Trend, den es auch in anderen Ländern gebe, nicht alleine mit Geld umkehren.
Er mache auch keine Reform mit der Brechstange, sondern unterhalte sich mit den Beteiligten. Dabei gehe es aber um die Kraft der Argumente und nicht darum, wer sie vortrage.
Man müsse sich ehrlich machen: Apotheker:innen hätten Angst, dass ihr Beruf entwertet werde. „Das haben Sie selbst in der Hand. Sie können selbst entscheiden und haben die Freiräume. Es sind Möglichkeiten, die Sie auch nicht nutzen müssen“, so Lauterbach. „Da beraten wir noch über die Details. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen mit einem Vorschlag auf Sie zukommen können.“
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