Kommentar

Die Quittung

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Berlin -

Eigentlich sollten Kammern und Verbände heute die alte neue Abda-Spitze wählen. Wieder angetreten war Gabriele Regina Overwiening, die bisherige Präsidentin, doch völlig überraschend fand sie keine Mehrheit. Die Mitgliederversammlung lehnte sie ab, und so bleibt die Abda bis auf Weiteres führungslos – und das mitten in den Wahlkampfzeiten.

Das hat es noch nie gegeben bei der Abda: Ist eine Kandidatin oder ein Kandidat nicht mehrheitsfähig, wird ihr oder ihm in der Regel nahe gelegt, gar nicht erst anzutreten. Warum Overwiening jetzt ins offene Messer laufen musste, ist derzeit unklar: Wurde sie ohne Vorwarnung zum Sündenbock für die verfehlte Politik der Abda gemacht? Oder war es ein Unfall, weil der geplante Denkzettel außer Kontrolle geraten ist?

So oder so: Mit der Abwahl von Overwiening ist die Abda jetzt führungslos. Denn sie hatte das Amt auf sich zugeschnitten, hatte keine Amtsträger neben sich zugelassen und war allzu oft der einzige Gesprächspartner etwa gegenüber der Politik. Andererseits kämpfte sie allzu oft auch allein auf weiter Flur, weil niemand Interesse für die Aufgabe gezeigt oder sich gar für ein Amt ins Spiel gebracht hatte. Weit und breit gab es niemanden, der auch nur Vize hätte werden wollen.

Das rächt sich jetzt, der Neuanfang wird gar nicht so einfach sein. Wer immer jetzt das höchste Amt in der Standesvertretung übernimmt, wird es nicht einfach haben. Overwienings Abwahl kann keinesfalls nur als eine persönliche Niederlage gedeutet werden. Sie steht vielmehr stellvertretend für den Kurs der gesamten Abda-Spitze, die über die vergangenen Jahre hinweg versäumt hat, sich entschieden für die Interessen ihrer Mitglieder einzusetzen und als starke Stimme aufzutreten.

Statt mit entschlossenen Maßnahmen die Interessen der Apothekerschaft zu verteidigen, hatte sich die Abda diplomatische Zurückhaltung auferlegt, doch das wirkte wie eine Abkehr von den dringend notwendigen Handlungsimpulsen. Statt Einzelaktionen zu unterstützen, wurden Abweichler intern hart angegangen.

Wie dramatisch die Situation tatsächlich ist, zeigt sich auch an der Reaktion anderer Heilberufsverbände, die sich fragen, ob die Abda nun vor dem Kollaps steht und wie es mit der Standesvertretung weitergehen kann.

Normalerweise würde man also an dieser Stelle kommentieren, dass das Ganze eine Quittung für die gesamte Abda ist. Aber so funktioniert die Standespolitik der Apothekerinnen und Apotheker nicht: Denn es ist gerade nicht die Basis, die über die Spitze ihrer berufspolitischen Vertretung entscheidet. Wenn es so wäre, hätte es wohl eine ganze Reihe an Abgängen gegeben. Gewählt wird durch die verfassten Strukturen, die oft selbst ein Teil des Problems sind: Offener Diskurs wird vermieden, Kritik wird als Angriff abgewehrt, allzu oft wird abgenickt, was ihnen als alternativlos verkauft wird.

Wer jetzt eine Neuausrichtung angehen will, der muss die Abda von Grund auf reformieren. Dabei müsste gerade jetzt im Wahlkampf gehandelt werden, um die Apotheken auf der politischen Agenda der nächsten Regierung zu halten. Dass der Umsturz ausgerechnet in dieser Phase passiert, in der es für die Apotheken politisch um dringend erforderliche Rettungsaktionen geht, ist die längst überfällige Quittung.

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