Kommentar

Die Quittung

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Berlin -

Mehr als 49 Seiten braucht es nicht, um den Apothekenmarkt auf den Kopf zu stellen. Zusammen mit SPD-Haudegen und GKV-Veteranen zieht Gesundheitsminister Karl Lauterbach seine Sache durch – und die Apothekerschaft ist kopf- und chancenlos. Ein Kommentar von Patrick Hollstein.

Lauterbach sind die Apotheken egal, sie sind eine von vielen Baustellen bei der ausgerufenen „Zeitenwende“ im Gesundheitswesen. Ihm geht es nicht darum, die tagtägliche Versorgung von Patientinnen und Patienten einfacher und besser zu machen. Seine Devise ist es, der Arzneimittelversorgung eine neue Richtung zu geben.

Lauterbach ist schlau genug, nicht einfach eine komplette Liberalisierung auszurufen. Er weiß genau, dass er sich nicht am Fremdbesitzverbot oder an der Rx-Preisbindung die Finger verbrennen muss. 49 Seiten mit einer Vielzahl komplexer Eingriffe reichen aus, um grundlegende Umwälzungen anzustoßen.

Strukturveränderung mit Folgen

Es wird Apothekerinnen und Apotheker geben, denen die Strukturveränderungen egal sind. Die sich den Kampf um das Prinzip des Apothekers in seiner Apotheke gar nicht (mehr) leisten können. Andere werden die neuen Möglichkeiten womöglich sogar gut finden und sie fleißig nutzen: Wenn es schon nicht mehr Geld gibt, dann muss man eben im Betrieb einsparen. Selbst wenn irgendwann ganz am Ende das Alleinstellungsmerkmal der Apotheke, wie wir sie kennen, dahin ist.

Und es wird Kolleginnen und Kollegen geben, die in den Neuerungen keine Morgendämmerung sehen, sondern dunkles Abendrot. Für diejenigen, denen die bisherigen hohen Standards des Apothekenrechts kein Schutzzweck waren, sondern Leitbild und Verpflichtung. Die als Inhaber gar keine Light- oder Zweigfilialen gründen können oder die keine PTA haben, der sie die Vertretung anvertrauen wollen. Oder die als Angestellte plötzlich das Gefühl haben, dass sie nichts mehr wert sind, weil sie nur unnötig Geld kosten.

All diese Kolleginnen und Kollegen werden jetzt erst recht mit ihrem Beruf hadern – sie werden sich abgehängt fühlen und noch weiter davon entfremden, was sie sich einst als Lebensaufgabe ausgesucht und zur Profession gemacht haben. Sie werden sich chancenlos fügen, bis endlich die Rente kommt.

Fallen und brutale Agenda

Chancenlos ist auch die Abda. Sie bekommt die Quittung dafür, dass sie allzu lange gezaudert und die von einer überwältigenden Mehrheit der Basis getragenen Proteste versanden lassen hat. Dass sie abgewartet hat, bis der Entwurf in der Welt ist, der sich in seiner Komplexizität wohl erst recht nicht mehr verhindern lassen wird. Selbst wenn noch einzelne Erfolge zu erzielen wären – Lauterbach hat so viele Fallen ausgelegt, dass sich seine brutale Agenda kaum aufhalten lässt.

An einem Beispiel lässt sich zeigen, wie wenig die Apothekerschaft der Politik derzeit gewachsen ist. Die pharmazeutischen Dienstleistungen waren vor einigen Jahren eingeführt worden, weil sich das Rx-Versandverbot nicht umsetzen ließ. Dass im Topf bald eine halbe Milliarde Euro liegen, die nicht abgerufen werden, liegt nicht an der Faulheit oder Inkompetenz der Apothekerinnen und Apotheker, sondern daran, dass die Rahmenbedingung es nicht zulassen, weil es kein Konzept gab und die Umstände nicht zu Ende gedacht waren. Jetzt zieht Lauterbach das Geld ab – und „spendet“ es für den Notdienst.

Die Apotheken haben diese Reform genauso wenig verdient wie ihre eigene Standesvertretung. Aber so wie es aussieht, werden sie mit beidem leben müssen.

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