Die Notdienstpauschale und die Macht der Kammern Benjamin Rohrer, 29.10.2012 15:45 Uhr
Noch immer ist nicht abschließend geklärt, wie die von der Regierung angekündigte Notdienstpauschale bei den Apotheken ankommen soll. Nach den ersten Gesprächen mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) liegt der Ball nun allerdings im Feld ABDA: Die Apotheker müssen über die grundsätzliche Frage entscheiden, wie viel Kompetenzen die Landesapothekerkammern im Abrechnungsprozess bekommen sollen. Das BMG soll dazu bereits eine klare Meinung geäußert haben.
Hinsichtlich der Verteilung der Pauschale haben sich bei den Apothekern inzwischen zwei Lager gebildet: Einige Kammern möchten die Abrechnung sowie die Verteilung der Pauschale selbst regeln. Die Kammer könnte beispielsweise monatlich alle durchgeführten Notdienste zusammentragen und direkt bei den Kassen abrechnen. Die Pauschale würde dann an die relevanten Apotheken verteilt werden. Eine solche Regelung könne die bürokratische Mehrarbeit von den Apotheken fernhalten, so das Argument.
Das BMG wollte zum derzeitigen Diskussionsstand zunächst nichts sagen. Die Fachebene soll diesen Vorschlag allerdings bereits abgelehnt haben: Dem Vernehmen nach will die Politik vermeiden, dass die Apothekerkammern eine Verteilungsfunktion erhalten, ähnlich wie sie zum Beispiel die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) inne haben. Innerhalb der Ärzteschaft gebe es oft Streit über die Verteilung der Gelder, bei den Apothekern müsse dies vermieden werden.
Auch innerhalb der ABDA gibt es kritische Stimmen zur „Kammer-Lösung“: So müsste beispielsweise zunächst geklärt werden, ob die Kammern juristisch überhaupt dazu befähigt sind, bei den Kassen abzurechnen und die Gelder auszuzahlen. Auch an der Basis dürfte sich Widerstand regen: Durch die Abrechnungen könnten die Kammern neues Personal einstellen müssten. Dafür wiederum könnten sie einen Teil des Notdienst-Budgets für sich behalten wollen.
Wahrscheinlicher ist daher, dass die Apotheken die Pauschale selbst bei der Kasse abrechnen. In diesem Fall hat das BMG den Apothekern allerdings den Auftrag gegeben, Fehlanreize und Falschabrechnungen zu vermeiden. Die ABDA hat daher vorgeschlagen, dass die Kammern den dienstbereiten Apotheken ein Zertifikat ausstellen. Erst nach Vorlage dieses Bons müssten die Kassen das Geld überweisen.
Auch diese Lösung dürfte von vielen Apothekern kritisiert werden: Den Pharmazeuten entsteht schließlich ein neuer Abrechnungsprozess und somit mehr Bürokratie. Weil die Kassen jedes Zertifikat prüfen müssen, droht auch hier neues Konfliktpotential.
Ein weiteres Problem dürfte die Mengenbegrenzung werden: Die Politik will pro Jahr maximal 120 Millionen Euro für die Pauschale zur Verfügung stellen. Wenn alle Apotheken einzeln abrechnen, könnten die Kammern aber schnell den Überblick darüber verlieren, wann das 120-Millionen-Kontingent aufgebraucht ist.