Täuschung und Irreführung

Die neuesten Lügen der Krankenkassen

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Berlin -

Krankenkassen investieren Millionen, um sich im Wettbewerb voneinander abzuheben. Die Regierung hatte auf Anfrage der Linksfraktion zuletzt mitgeteilt, dass die Kassen 2016 fast 194 Millionen Euro fürs Marketing ausgegeben haben. Das entspricht einem Anstieg 320 Prozent seit 1995. Und in diesem Wettkampf bedienen sich die Kassen immer wieder unfairer Mittel. Die Wettbewerbszentrale muss regelmäßig gegen Kassen vorgehen, weil sie irreführend werben oder ihre Versicherten schlichtweg anlügen.

So hatte die Barmer einen Versicherten vor einem Wechsel zu einer BKK gewarnt. Denn sollte diese ihren Zusatzbeitrag erhöhen, habe der Versicherte zu diesem Zeitpunkt keine Möglichkeit mehr, seine Entscheidung rückgängig zu machen. Das trifft natürlich nicht zu. Erhebt die Kasse erstmals einen Zusatzbeitrag oder erhöht einen existierenden, besteht grundsätzlich ein Sonderkündigungsrecht. Die Wettbewerbszentrale monierte die Aussage der Barmer daher als falsch und irreführend. Die Kasse hat eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Auch die BKK Hercules hatte mit unlauteren Mitteln versucht, Versicherte von einem Wechsel zu einer Kasse abzuhalten. Im beanstandeten Fall wollte der Kunde zur HEK. Dem wechselwilligen Versicherten wurde daraufhin ein Vergleich mit den Preisen und Leistungen beider Kassen übermittelt.

Aus Sicht der Wettbewerbszentrale war die BKK dabei aber nicht ganz ehrlich. So hatte die BKK Hercules Homöopathie, Heilpraktiker uns Akupunktur als alternative Heilmethoden angepriesen, die die Kasse erstattet. Bei der HEK war dagegen nur Anthroposophie angegeben, obwohl die Kasse Akupunktur und Homöopathie ebenfalls erstattet. Auch bei den Angaben zur Krebsvorsorge, Hebammenrufbereitschaft und zusätzliche Zahnvorsorge wurden Leistungen der HEK schlechter gemacht. Die Betriebskrankasse gab ebenfalls eine Unterlassungserklärung ab.

Die IKK Classic war mit einer Werbung negativ aufgefallen. Auf dem Plakat hieß „Ab Mai 2018 Krankenkassenbeitrag sparen!“ Klingt gut, dürfte aber für auf die allermeisten von diesem Plakat Angesprochenen nicht zutreffen. Denn die IKK hatte ihren Zusatzbeitrag zum Mai dieses Jahres zwar tatsächlich von 1,4 auf 1,2 Prozent abgesenkt, war aber immer damit immer noch teurer als die meisten anderen Kassen.

Damit war die Werbung aus Sicht der Wettbewerbszentrale irreführend. Denn die Ersparnis betreffe maßgeblich die IKK-Versicherten. An diese richte sich aber die Werbung naturgemäß nicht, sondern in erster Linie an Versicherte bei anderen Kassen. Da zahlreiche Kassen aber einen niedrigeren Zusatzbeitrag verlangten als die IKK Classic, würden diese eben nichts sparen. Die Kasse hat die Abmahnung geschluckt und sich verpflichtet, nicht mehr auf diese Weise für den eigenen Beitragssatz zu werben.

Die hkk hatte Ärger wegen ihrer „Fan-Tage“. Mitte Juni hatte die Ersatzkasse in Postwurfsendungen unter anderem mit der Aussage für sich geworben: „Bis zu 589€ Beitrag sparen“. Auf dem Flyer wurde dies konkretisiert. Vergleiche mit DAK, IKK Classic, Barmer, TK und AOK Niedersachsen ergaben aber in der Spitze nur eine Differenz von maximal 483,21 Euro (bei der DAK), teilweise sogar nur 111,51 Euro (AOK Niedersachsen). Der Wettbewerbszentrale fehlte hier der Hinweis auf die angebliche Höchstersparnis.

Gelogen war die Aussage nicht. Denn mit einem Zusatzbeitrag von 0,59 Prozent ist die hkk tatsächlich sehr günstig. Einzelne Kassen wie die Viaktiv oder Securvita verlangen einen Zusatzbeitrag von 1,7 Prozent. Rechnet man dies auf die Beitragsbemessungsgrenze von 4425 Euro und aufs Jahr hoch, kommt man tatsächlich auf eine Differenz von 589,41 Euro. Das gilt allerdings nur für wenig Kassen und auch hier nur für die Gutverdiener, die freiwillig gesetzlich versichert sind – und das bei einer überdurchschnittlich teuren Kasse.

Die Wettbewerbszentrale fand die Werbung trotzdem irreführend. Vergleichende Werbung solle Transparenz schaffen, dann müsse aber auch Ross und Reiter genannt werden. Die hkk hatte die – tatsächlich vorhandenen – Beispiele aber nicht einmal gegenüber der Wettbewerbszentrale genannt, nachdem diese die Kasse abgemahnt hatte. Die Wettbewerbszentrale ging zog vor Gericht und hatte Erfolg: Das Landgericht Bremen erließ am 31. Juli eine einstweilige Verfügung.

Insgesamt gingen bei der Wettbewerbszentrale im vergangenen Jahr knapp 470 Anfragen und Beschwerden wegen unlauteren Wettbewerbs im Bereich Gesundheit ein. Betroffen waren Apotheker, Ärzte, Krankenkassen und Hersteller. 2018 waren es in der ersten Jahreshälfte 195 Fälle, was in etwa dem Vorjahresniveau entspricht. Kassen fallen beispielsweise regelmäßig damit auf, dass sie ihren Versicherten den Wechsel unnötig erschweren, indem etwa die Kündigungsbestätigung zu spät ausgestellt wird. Diese Benötigen Ex-Kunden aber, um sich bei einer anderen Krankenkasse anzumelden. Zu den „Klassikern“ zählt zudem die Irreführung über Testergebnisse oder den Leistungsumfang.

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