Die kurze Show der digitalen Briefkästen Lothar Klein, 14.08.2019 12:20 Uhr
Vor zwei Jahren wurde auf der Expopharm von DAV-Chef Fritz Becker die erste digitale Rezeptsammelstelle feierlich enthüllt. Was ein Leuchtturmprojekt für die Digitalisierung der Apotheken sein sollte, gehört bereits ins Technikmuseum. Nicht nur das Interesse daran hält sich in engen Grenzen, mit dem E-Rezept ist der Briefkasten mit Scanner-Schlitz so gut wie überflüssig. Noventi gibt dem System schon keine Zukunftschancen mehr, Becker sagt: Solange es Papierezepte gebe, habe der digitale Briefkasten seine Berechtigung.
„Aktuell haben wir drei Sammelstellen testweise installiert – zwei in Baden-Württemberg, eine in Sachsen. Grundsätzlich besteht auch Interesse daran und wir können jederzeit weitere anbieten. Letztlich geht die Entwicklung aber immer schneller in Richtung App und E-Rezept. Daher arbeiten wir intensiv weiter an unserem Angebot CallmyApo, dem zentralen E-Rezept-Speicher des Projektes Gerda des DAV/NGDA sowie dem gesamten Digitalisierungsprozess für die Apotheke vor Ort“, so Roman Schaal, Geschäftsführer Noventi Healthcare.
Etwas optimistischer äußerte sich der zweite Anbieter, ARZ Darmstadt: „Aktuell haben wir drei digitale Rezeptsammelstellen an den Standorten Heusweiler, Longkamp und Essingen in Betrieb und planen für die Monate August und September dieses Jahres zwei weitere Installationen in Neustadt an der Weinstraße und Bad Langensalza. Das Interesse der Apotheken ist groß, wir erhalten viele Anfragen. Unserem Eindruck nach verzögern sich mögliche Installationen durch das aktuelle Genehmigungsverfahren“, berichtet Dirk Arnold, Leiter Kundenberatung.
Auf der Bremse stehen laut Arnold die jeweilige Apothekerkammern mit ihren Genehmigungen: „Die Kammer legt hier wohl umfängliche Prüfkriterien zugrunde, letztlich hat die Kammer zum Beispiel auch Spielraum hinsichtlich der Befristung.“ In Abhängigkeit vom Standort verarbeiten die digitalen Rezeptsammelstellen zwischen 100 und 150 Rezepte pro Standort und Monat. Nennenswerte Probleme technischer Natur sind bislang nicht aufgetreten.
Damit sind aktuell nach zwei Jahren sechs digitale Rezeptsammelstellen in Betrieb, das sind gerade mal 0,5 Prozent der bundesweit knapp 1300 Rezeptsammelstellen. Damit haben sich die Erwartungen von Becker nicht wie gewünscht erfüllt: Nach und nach sollten die bestehenden Rezeptsammelstellen digitalisiert werden. Entstanden war die Idee zur digitalen Rezeptsammelstelle laut Becker anlässlich eines verspäteten Fluges im Winter. Bei einem Gespräch mit Politikern über die Versorgung ländlicher Regionen mit Rezeptsammelstellen bei Akutfällen sei ihm nach zwei schlaflosen Nächten klar geworden: „Wie können wir das schneller machen? Wir brauchen einen Briefkasten mit Computer dahinter.“
Die Vorteile der neuen Technik lagen laut Becker auf der Hand: Die Apotheke könne unmittelbar nach Eingang des Rezept-Scans mit der Bearbeitung starten, das Arzneimittel gegebenenfalls bestellen oder beim verordnenden Arzt Nachfragen klären. „Das bedeutet für die Apotheker eine längere Reaktionszeit“, so Becker vor zwei Jahren. Die Rezepte müssten nicht mehr wie heute üblich einmal täglich eingesammelt werden.
Aktuell äußert sich auch der DAV-Chef zurückhaltender: „Die digitale Rezeptsammelstelle ist eine tolle technische Errungenschaft und für mich eine Art von Brückentechnologie. Ihre Zukunft ist freilich an das Papierrezept geknüpft, denn sie ist für die digitale Verarbeitung von Papierrezepten entwickelt worden. Sie wird erst dann ihren Nutzen verlieren – wie übrigens das komplette System der Rezeptsammelstellen – wenn das Papierrezept flächendeckend und vollständig durch das E-Rezept abgelöst ist, wenn also das E-Rezept die ausschließliche Verordnungsform in der Regelversorgung ist. Bei aller Innovationskraft und dem erkennbaren Engagement vieler Beteiligter meine ich, dass es bis zu dieser vollständigen Umstellung aber noch ein weiter Weg ist. Zusammengefasst: Das E-Rezept wird kommen – und das Papierrezept wird gleichzeitig noch lange bleiben. Es wird eine lange duale Übergangszeit geben. Und solange es Papierrezepte gibt, solange haben auch Rezeptsammelstellen und damit auch digitale Rezeptsammelstellen ihre Berechtigung.“