Datenaffäre des BMG

Die Doppelrolle der Zeugin S.

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Berlin -

Vor dem Landgericht Berlin wurde heute erneut der Chefermittler im Daten-Prozess des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) befragt. Über die Tatvorwürfe wurde auch am 22. Verhandlungstag kaum gesprochen. Dabei kam heraus, dass der Ermittler die Hauptbelastungszeugin Katja S. – die Ex-Frau des Angeklagten Christoph H. – für deren Sorgerechtsstreit mit Erkenntnissen der Ermittler versorgt hatte.

Der Ermittler war erneut geladen worden, auch weil bei seinen bisherigen Auftritten neue Fragen zu gelöschten Aktenbestandteilen sowie zur Kommunikation zum BMG oder anderen Prozessbeteiligten aufgekommen waren. Zu Beginn seiner Vernehmung wurde der Ermittler belehrt, dass er sich mit eigenen Aussagen nicht selbst belasten müsse.

Davon wollte er bei einer Frage – es ging um zwischenzeitlich verschwundene Daten – auch zunächst Gebrauch machen. Nach telefonischer Rücksprache mit seinem Vorgesetzten verneinte er dann aber die Frage, ob er selbst etwas unternommen habe, um die gerichtlich angeforderten E-Mails zu sichern, bevor diese automatisch überschrieben wurden. Das Gericht geht allerdings nicht davon aus, dass es sich dabei um verfahrensrelevante Dinge handelt.

Spannender ist die Frage, warum die Ermittler Katja S. in ihrem Sorgerechtsstreit gegen H. unterstützen. Zwar wurde deren Anwältin Akteneinsicht in den „Datenklau-Prozess“ verwehrt. Doch die Staatsanwaltschaft habe ihn beauftragt, ihr fernmündlich einige Informationen zukommen zu lassen, räumte der Ermittler ein. Polizei und Staatsanwaltschaft war demnach auch sehr wohl bekannt, dass die Zeugin schon wegen Falschaussage verurteilt worden war.

Der Ermittler hatte mehrfach mit Katja S. per E-Mail korrespondiert, telefoniert und sie zweimal persönlich vernommen. Ihre Anwältin wurde zudem mit dem Aktenzeichen aus einem anderen Verfahren gegen H. munitioniert: Darin ging es um einen mutmaßlichen Diebstahl von Technik aus dem BMG. Das Verfahren wurde aber eingestellt.

Parallel zu den Ermittlungen im Datenprozess lief der Sorgerechtsstreit zwischen dem Angeklagten und seiner Ex-Frau. H.‘s Verteidiger, Rechtsanwalt Nikolai Venn, fragte den Ermittler daher mehrfach, ob er von der Rolle von Katja S. gewusst habe. Immerhin hatte sie den Stein zusammen mit ihrem neuen Lebensgefährten ins Rollen gebracht. Er räumte ein, dass es sicher „nicht die ureigenste Aufgabe eines Ermittlers“ sei, die Belastungszeugin in einem Fall auf diese Weise zu unterstützen.

Kaum Erinnerungen hatte der Kommissar auch an den Umstand, dass es ein eigenes Ermittlungsverfahren gegen die ABDA wegen des Verdachts der Untreue gegeben hatte. Dieses wurde aber eingestellt, eine zunächst geplante Durchsuchung fand letztlich nicht statt. Die Ermittler hatten sich zwar in den jeweiligen Fällen ausgetauscht, aber ihrer Korrespondenz zufolge vereinbart, dies jeweils nicht in die eigenen Akten zu nehmen. Das sei Sache der Staatsanwaltschaft gewesen, gab der Ermittler zu Protokoll.

Auch mit dem BMG hatten sich Landeskriminalamt (LKA) und Staatsanwaltschaft offenbar regelmäßig über die Ermittlungen ausgetauscht. Zweimal gab es sogar eine gemeinsame Videokonferenz, wie der Verteidiger des Angeklagte Thomas Bellartz, Professor Dr. Carsten Wegner, kritisch bemerkte. „Wurde das BMG anders behandelt als die Verteidigung?“ Der Vertreter der Staatsanwaltschaft sprang dem Ermittler bei und verwies auf § 475 Strafprozessordnung (StPO) zu Auskünften und Akteneinsicht für Privatpersonen und sonstige Stellen.

Überhaupt sorgte Dr. Holger Brocke, der sich als Urlaubsvertretung von Staatsanwalt Roland Hennicke heute einarbeiten sollte, für etwas Stimmung im Gerichtssaal. Er hatte – anders als sein Kollege im bisherigen Verfahren – immerhin einige Fragen an den Zeugen und versuchte mehrfach, den Verteidigern in deren Fragerunde in die Parade zu fahren, bis er vom Richter zur Räson gerufen wurde.

Wegner hatte erkennbar Spaß an dem Schlagabtausch und freute sich, dass – neben dem Chefermittler – nun ein weiterer „Datendompteur“ am Verfahren beteiligt sei. Das war eine Anspielung auf den Fall Amri. Hier war Brocke selbst an den Ermittlungen gegen Polizisten beteiligt. Es ging um den Vorwurf der Aktenmanipulation, es wurde wegen möglicher Strafvereitelung im Amt ermittelt. Zwar fanden Brocke und sein Kollege zahlreiche „Auffälligkeiten“, ein hinreichender Tatverdacht ließ sich aber nicht begründen und das Verfahren wurde eingestellt.

Im Prozess um den vermeintlichen Datendiebstahl aus dem BMG wurde heute nur erneut festgehalten, dass es bei Bellartz zu den jeweiligen Tatvorwürfen keine Daten aus dem Ministerium gefunden wurden. Doch offenbar hat das Gericht noch Aufklärungsbedarf zu korrelierenden Geldbewegungen auf den Konten der Angeklagten. Die Verhandlung wird am 27. Juli fortgesetzt.

Zu Beginn der heutigen Sitzung hatte der Vorsitzende Richter noch die Entscheidung begründet, warum die Kammer das Verfahren trotz der zahlreichen Datenpannen bei den Ermittlern nicht einstellt oder aussetzt. Man sehe dies durchaus nicht „Kavaliersdelikt“, die begangenen Pflichtwidrigkeiten seien aber für sich genommen kein „nicht behebbares Verfahrenshindernis“. Immerhin sei auch der Großteil der Daten nachgeliefert worden.

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