Interview AOK Berlin-Brandenburg

„Die Apotheker wollen mehr vom Kuchen“

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Mehr als 100 Nachfragen von Apotheken hat die AOK Berlin-Brandenburg im Zusammenhang mit ihrer Ausschreibung für onkologische Rezepturen in den vergangenen Monaten beantworten müssen. Vorerst gerichtlich gestoppt, hat die Ausschreibung nicht nur bei den zytostatikaherstellenden Apotheken für viel Aufregung gesorgt. Kritiker fürchten, dass Bieterverfahren für Apotheken Schule machen könnten. APOTHEKE ADHOC sprach mit Dr. Sabine Richard, Leiterin des Unternehmensbereichs Arzneimittel, über die Pläne der AOK Berlin-Brandenburg, den laufenden Rechtsstreit sowie den Sinn und mögliche Fallstricke von Ausschreibungen im Apothekenbereich.

ADHOC: Warum haben Sie entschieden, die Versorgung ihrer Versicherten mit onkologischen Rezepturen auszuschreiben?
RICHARD: Unser Interesse an Verträgen mit einzelnen Apotheken ist nicht neu. Wir waren bereits 2007 zu dem Schluss gekommen, dass sich auf diese Weise Einsparungen generieren lassen. Nachdem es damals bedauerlicherweise aufgrund der unklaren Gesetzeslage nicht zu Abschlüssen gekommen ist, wollen wir nun die mit der AMG-Novelle erweiterten Möglichkeiten nutzen.

ADHOC: Die Ausschreibung nur zwei Wochen nach der Einigung über die Hilfstaxe hat viele Marktteilnehmer irritiert.
RICHARD: Der Zeitpunkt war Zufall. Wir hatten uns bereits im vergangenen Sommer entschieden, den Weg der Selektivverträge zu gehen. Allerdings haben die Vorbereitungen einige Zeit in Anspruch genommen. Diese Phase hat sich zeitlich sehr stark mit den Verhandlungen zur Hilfstaxe gedeckt.

ADHOC: Mit welchen Einsparungen rechnen Sie?
RICHARD: Wir können derzeit keine konkrete Zahl nennen. Schließlich liegen in diesem Bereich noch keine Erfahrungen mit Exklusivverträgen vor. Die in der Hilfstaxe vereinbarten Einkaufspreise bleiben hinter unseren Erwartungen zurück.

ADHOC: Woher wissen Sie, dass noch Luft im System ist?
RICHARD: Aufgrund der Intransparenz im System standen uns bislang kaum Informationen über mögliche Einsparungen zur Verfügung. Nach unseren Marktkenntnissen gehen wir davon aus, dass die Spielräume im Bereich der onkologischen Rezepturen größer sind als die Hilfstaxen-Preise es widerspiegeln. Auch das hohe Interesse einiger Apotheken an der Geheimhaltung der Preisangebote spricht für sich.

ADHOC: Den Zuschlag erhält der Bieter mit dem günstigsten Preis. Wie stellen Sie die Qualität sicher?
RICHARD: Wir können und wollen es uns nicht leisten, dass die Qualität der Versorgung sinkt. Die Bewerber müssen deshalb mit einer Fülle von Nachweisen ihre Eignung erklären. Wir haben uns bei den Anforderungen stark an den Leitlinien der ABDA orientiert. Nur unter den Bietern, die die Voraussetzungen erfüllen, wird nach dem günstigsten Preis entschieden.

ADHOC: Kritiker befürchten, dass die zeitnahe Belieferung der onkologischen Praxen künftig nicht mehr möglich ist, wenn versorgende Apotheke und Arzt weit auseinander liegen.
RICHARD: In Berlin haben wir eine Vielzahl von Arztpraxen und versorgenden Apotheken. Die Struktur ist deshalb ganz anders als beispielsweise im ländlichen Raum. Es ist aktuell mitnichten so, dass alle Praxen sich von einer Apotheke aus dem gleichen Stadtteil versorgen lassen. Wir gehen davon aus, dass die Apotheken, die den Zuschlag erhalten, gute Beziehungen zu den Onkologen aufbauen werden.

ADHOC: Die Onkologen können aber nicht mehr frei entscheiden, mit welcher Apotheke sie zusammenarbeiten wollen.
RICHARD: Wir befinden uns bereits seit Jahren im konstruktiven Dialog mit Vertretern der Berliner Onkologen und sind daher zuversichtlich, die Anforderungen der onkologischen Praxen ausreichend berücksichtigt zu haben.

ADHOC: Sehen Sie keinen Mehraufwand, wenn Onkologen künftig je nach Kasse des Patienten eine andere Apotheke beauftragen müssen?
RICHARD: Das hat der Gesetzgeber mit der Zulassung von Exklusivverträgen bewusst in Kauf genommen. Auch heute gibt es übrigens Praxen, die sich von verschiedenen Apotheken beliefern lassen. Wir gehen allerdings nicht davon aus, dass künftig alle Einzelkassen entsprechende Selektivverträge schließen werden.

ADHOC: Warum sollten sich Apotheken ursprünglich nur für ein Los bewerben können?
RICHARD: Wir wollten eine gewisse Anbietervielfalt aufrecht erhalten und möglichst vielen Apotheken auch langfristig die Teilnahme an der Versorgung offen halten. Uns geht es dabei insbesondere um die Versorgungssicherheit.

ADHOC: Trotzdem konnten nach der ursprünglichen Fassung der Ausschreibung maximal 13 der bislang 29 Zyto-Apotheken aus Berlin einen Zuschlag erhalten.
RICHARD: Mit einer Ausschreibung sind immer Konzentrationsprozesse verbunden. Wir wollten aber monopolistische oder allzu enge oligopolistische Strukturen ausschließen. Einige Apotheker waren allerdings der Ansicht, dass ein Zuschlag zu wenig sei. Diese möchten offenbar gern ein größeres Stück vom Kuchen. Diese Einzelapotheken verfolgen anscheinend andere Ziele als ihre Verbände.

ADHOC: Sie haben auch Unterauftragnehmer zugelassen. Sehen Sie keine Gefahr, dass letztlich doch alle Praxen von einem Herstellungsbetrieb versorgt werden könnten?
RICHARD: Aus Gründen des Vergaberechts mussten wir Unterauftragnehmer zulassen. Letztlich müssen wir hier allerdings auch die gegebenen Marktstrukturen zur Kenntnis nehmen. Wir halten es aber für unwahrscheinlich, dass es zu derart starken Konzentrationen bei den Unterauftragnehmern kommt.

ADHOC: Warum ist die Ausschreibung auf ein Jahr begrenzt?
RICHARD: Wir stehen am Anfang des Prozesses und wollen nach einem Jahr die gesammelten Erfahrungen bewerten. Auch die Rabattverträge waren zu Beginn auf ein Jahr begrenzt. Für die Apotheken bietet sich die Chance, ihre Kalkulation noch einmal zu überprüfen.

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