KBV/ABDA-Modell

„Die Apotheker haben das nicht gelernt“ Patrick Hollstein, 19.09.2011 12:14 Uhr

Berlin - 

Der Deutsche Hausärzteverband lehnt ein gemeinsames Medikationsmanagement von Ärzten und Apothekern ab - als „durchsichtiges Apothekenförderprogramm“, das die sichere Arzneimittelversorgung gefährdet. Einstimmig votierte der Hausärztetag in Berlin gegen das Konzept von Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und ABDA - und legte mit der Forderung nach der ärztlichen Selbstdispensation gleich noch ein Gegenfeuer. Obwohl verbandspolitisches Kalkül eine wesentliche Rolle spielen dürfte, gibt es auch inhaltliche Kritik: Verbandschef Ulrich Weigeldt sieht beispielsweise Grenzen, was die Fähigkeiten der Apotheker angeht.

„Hier werden Kompetenzen an die Apotheker verschoben, die genuin zu den Ärzten gehören“, sagt Weigeldt. Dem Ärztechef zufolge sind die Pharmazeuten für die vorgesehenen Aufgaben nicht ausgebildet - „auch wenn es so aussieht und auch wenn sie es sagen“. Das Pharmaziestudium qualifiziere vor allem für die Aufbewahrung und Distribution von Arzneimitteln. Bei der Galenik etwa hätten Apotheker dagegen einen ganz anderen Blickwinkel als Ärzte, und auch der Bereich Rezepturherstellung spiele kaum noch eine Rolle. Vieles passiere in der Apotheke automatisch.
Während er beim Wirkstoffkatalog haftungsrechtliche Bedenken hat, sieht Weigeldt beim Thema Wirkstoffverordnung die ärztliche Therapiehoheit in Gefahr: „Die konkrete Verordnung gehört zum ärztlichen Handeln.“ Man müsse das gesamte Krankheitsbild kennen, um das richtige Produkt auswählen zu können, anderenfalls könne man den Patienten „nur erschrecken“.

Das Argument, dass die Ärzte wegen der Rabattverträge bereits heute faktisch nur Wirkstoffe verordnen könnten, lässt der Verbandschef nicht gelten: „Ich muss heute nicht alles nach Rabattvertrag verordnen. Der Arzt entscheidet, ob er den Austausch freigibt oder nicht, und er kann mit dem Patienten besprechen, warum seine Schachtel diesmal anders aussieht.“
Die Bereitschaft der KBV, den Apothekern die entsprechenden Daten zur Verfügung zu stellen, findet Weigeldt unmöglich: „Wir verteilen die Patientenakte doch nicht im gesamten Gesundheitssystem. Wo bleibt da der Datenschutz? Ich weiß nicht, wer sich so etwas ausdenkt.“ Im Übrigen könne man das Krankheitsbild des Patienten nicht in einem Umfeld besprechen, das mitunter nicht mehr Intimität gewährleiste als ein „Bahnschalter“. Weigeldt: „Das Medikationskonto ist eine ärztliche Aufgabe.“

An ein Ende der Wirtschaftlichkeitsprüfung für Ärzte glaubt der Verbandschef nicht: „Es gibt gar keine Regresse wegen Generika. Alle Kostensteigerungen beruhen auf den innovativen Arzneimitteln. Es gibt hier also auch kein Einsparpotenzial.“ Eine monetäre Beteiligung der Leistungserbringer lehnt Weigeldt ohnehin ab: „Was hier versucht wird, ist der Einstieg in ein direktes Provisionsgeschäft. So etwas wird es mit den Hausärzten nicht geben.“
Gerüchte, nach denen der Hausärzteverband ursprünglich selbst an einer Zusammenarbeit mit den Apothekern interessiert gewesen sei, weist Weigeldt zurück: „Nein, das stimmt nicht. Wir haben die ABDA von Anfang an gewarnt, dass wir so etwas nie mit tragen würden.“
Dass die Forderung nach ärztlicher Selbstdispensation mit der Diskussion um das KBV/ABDA-Modell in Verbindung steht, leugnet Weigeldt nicht: „Wir haben uns im Zusammenhang mit der ganzen Debatte das Thema Arzneimittelversorgung angesehen. Dabei haben wir eine Regelungslücke entdeckt, die wir auch schon früher hätten sehen können: Im Notdienst oder bei Hausbesuchen kommt es vor, dass wir in dringenden Fällen Ärztemuster auseinzeln müssen. Da bewegen wir uns in einer Grauzone, und das muss geändert werden.“