Kassen wollen Ärzte dazu bringen, für Patienten möglichst schwere Diagnosen zu dokumentieren. Denn dann gibt es mehr Geld. Als TK-Chef Jens Baas Anfang Oktober mit diesen Vorwürfen an die Öffentlichkeit ging, gab es im GKV-Lager einen Sturm der Entrüstung. Doch wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, hat eine Kasse bereits einen Millionenbetrag gezahlt, um ein Gerichtsverfahren abzuwenden.
Laut FAZ hatte das Bundesversicherungsamt von der AOK Rheinland-Hamburg 7 Millionen Euro wegen Falschcodierungen zurückgefordert: 5,6 Millionen Euro für den Gesundheitsfonds sowie 1,4 Millionen Euro Strafe.
„Im Zusammenwirken mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und ausdrücklicher Billigung durch die Aufsichtsbehörde“ soll die AOK „auf die Vertragsärzte in Nordrhein und Hamburg hingewirkt, die Diagnosen bei der Behandlung von AOK-Versicherten nachträglich derart zu ergänzen, dass die Versicherten kränker werden“, so der Vorwurf. Wegen nachträglicher Datenkorrekturen habe die AOK zu hohe Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten.
Der für Donnerstag angesetzte Gerichtstermin wurde jedoch abgesagt, weil die Kasse am Vortag den Bescheid des BVA doch noch akzeptiert und die Klage dagegen zurückgezogen hatte.
„Pragmatische Lösungen sind manchmal gegenüber langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen vorzuziehen“, zitiert die FAZ Vorstandschef Günter Wältermann. Es sei der AOK aber nicht darum gegangen sei, Patienten „kränker zu machen, als sie sind“. Die Abrechnungsregelungen seien sehr komplex und gelegentlich umstritten. „In diesem Fall haben wir die Rechtsauffassung des BVA im Vergleichswege akzeptiert.“
Laut FAZ ermittelte das BVA gegen elf Kassen, die versucht haben sollen, ihre Lage auf Kosten der übrigen Kassen zu verbessern. Nur im Fall der AOK Rheinland/Hamburg sei es zu einem Verfahren gekommen, so ein Sprecher.
Am Mittwoch hat laut Bericht außerdem der Gesundheitsausschuss des Bundestags über einen Bericht des Bundesgesundheitsministeriums beraten, in dem drei Betrugsformen beschrieben werden: So riefen Kassen bei Patienten an, um sie zu einem neuen Arztbesuch zu bringen. In anderen Fällen seien „Kodierberater“ zu Ärzten geschickt worden, um Diagnosen nachträglich zu korrigieren. Relativ neu sei die Praxis, „Betreuungsstrukturverträge“ mit Ärzten zu schließen, die „indirekt auch auf die Dokumentation bestimmter Diagnosen gerichtet sind“.
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