Interview Ulrich Ströh

„Der Zug ist für die Apotheker abgefahren“

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Berlin -

Den Apothekern geht es am Ende der ersten Amtszeit von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt nicht besser als vor vier Jahren. In allen für die Apotheker wichtigen Fragen habe die ABDA „weiterhin nicht viel Fortune bewiesen“, urteilt Ulrich Ströh, Inhaber der Belvedere-Apotheke in Kiel und ehemaliger Vizepräsident des Marketing Vereins Deutscher Apotheker (MVDA). Wenn er könnte, würde er daher Kai-Peter Siemsen im Dezember zum neuen ABDA-Präsidenten wählen.

ADHOC: 100 Millionen Euro für Rezeptur und BtM. Sind Sie zufrieden?
STRÖH: Nein, das bin ich nicht. In allen für die Apotheker wichtigen Fragen hat die ABDA weiterhin nicht viel Fortune bewiesen. Die 100 Millionen Euro Honorarplus bedeuten pro Apotheke im Schnitt 5000 Euro mehr. Klar, das ist besser als nichts. Aber angesichts der Lage nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Völlig ungeklärt ist die Zukunft des Apothekenhonorars. Darüber entscheidet jetzt das Bundeswirtschaftsministerium. Wer weiß, was dabei rauskommt. Die ABDA hat so gut wie keinen Einfluss auf diesen Prozess und sitzt nur auf den Zuschauerbänken. Da muss man sich ernsthafte Sorgen um unseren Berufsstand machen.

ADHOC: Die ABDA sieht im Medikationsmanagement das wichtigste Zukunftsfeld für die Apotheker. Beim neuen Medikationsplan sind aber die Ärzte am Drücker. Wie passt das zusammen?
STRÖH: Gar nicht. Das wir Apotheker beim Medikationsplan nicht berücksichtigt worden sind, ist ein ein schwerer Rückschlag. Davon hängt doch unsere berufliche Zukunft ab in einer immer personalisierteren Medizin und Arzneimitteltherapie. Ich teile die Erwartung der ABDA nicht, dass wir Apotheker bei der Einführung des elektronischen Medikationsplans das wieder aufholen können. Der Zug ist abgefahren. Die Ärzte werden das Medikationsthema nicht wieder aus der Hand geben.

ADHOC: Das hört sich resignativ an. Was lässt sich dagegen tun?
STRÖH: Wir Apotheker verfügen doch über die besten Voraussetzungen für das Medikationsthema. Wir müssen unabhängig von der Politik aktiv werden. Die ABDA sollte den Datenschatz der ABDATA nutzen und eigenständige Angebote zum Medikationsmanagement entwickeln und anbieten. Warum nicht eine App. Sonst überholen uns nicht nur die Ärzte, sondern auch Google, Apple & Co. Es ist immer besser, etwas zu tun als nur abzuwarten, bis die Politik uns ins Boot holt.

ADHOC: Die ABDA ist zu passiv?
STRÖH: Nicht nur das. Es fehlen die Visionen. Das Medikationsthema ist doch fundamental für die Weiterentwicklung unseres Berufes. Wie sollen wir junge Pharmazeuten überzeugen, in die Offizin zu kommen, statt in die Industrie oder Forschung zu gehen, wenn wir keine Zukunftsperspektiven aufzeigen. Das Medikationsmanagement ist der Anker für unsere Zukunft als Heilberuf. Da muss etwas passieren. Nur schöne Worte und vage Hoffnungen reichen da nicht aus.

ADHOC: Immerhin hat die ABDA es geschafft, dass die Politik Zyto-Ausschreibungen verbieten will. Können Sie das wenigstens dem ABDA-Konto gutschreiben?
STRÖH: Ja, Resultate zählen. Das beurteile ich positiv.

ADHOC: Seit langer Zeit gibt es mal wieder zwei Kandidaten zur Wahl für das Amt des ABDA-Präsidenten. Wie finden Sie das?
STRÖH: Es wird Sie nicht wundern, dass ich die Kandidatur von Kai-Peter Siemsen begrüße – dass wir eine richtige Wahl haben. Ich fände es gut, wenn sich Siemsen und Friedemann Schmidt vor der Wahl im Dezember in vier Städten – Hamburg, Berlin, Köln und München – gemeinsam den Apothekern vorstellen und über ihre Politik für die nächsten vier Jahre sprechen würden. Das ist vor allem mit Blick auf die jungen Kollegen von Bedeutung. Der Nachwuchs will und muss erfahren, wo wir Apotheker hin wollen! Wie gehen wir beispielsweise mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen um? Wie sehen die Visionen von Schmidt und Siemsen aus? Wohin geht unsere Reise?

ADHOC: Wenn würden Sie wählen: Schmidt oder Siemsen?
STRÖH: Ich habe Siemsen vor vielen Jahren bei einem gemeinsamen Rhetorikkurs kennen und schätzen gelernt. Ich halte den Hamburger Kammerpräsidenten nicht nur für eine guten Redner, sondern auch für durchsetzungsstark. Das ist wichtig für uns Apotheker. Ich würde Siemsen wählen.

ADHOC: Wie fällt Ihre Bilanz zur Amtszeit von Friedemann Schmidt aus?
STRÖH: Seine Rede auf dem letzten Deutschen Apothekertag hat mit sehr gut gefallen. Aber das ist nicht genug. Ich vermisse eine Perspektive zur Weiterentwicklung unseres Berufes – nicht für meine Generation, aber für den pharmazeutischen Nachwuchs. Außerdem finde ich seine Ankündigung zur Wiederwahl als ABDA-Präsident im Doppelpack sehr unglücklich. Auch die Anmietung von neuen ABDA-Büro in Berlin, Unter den Linden, als Erfolg zu verkaufen, finde ich fragwürdig. Am Ende zählen nur die Resultate: 100 Millionen Euro in vier Jahren sind ein überschaubarer Erfolg für die Präsenzapotheken. Die Ärzte waren erfolgreicher. Friedemann Schmidt ist es leider nicht gelungen, uns Apotheker als Heilberuf auf gleicher Augenhöhe zu positionieren.

ADHOC: Was erwarten Sie vom Besuch von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe beim DAT?
STRÖH: Ich freue mich über den Besuch des Bundesgesundheitsministers. Ich hoffen nur, dass der DAT nicht nur artig applaudiert. Das wäre die falsche Reaktion. Wir müssen mit der Politik ernsthaft ins Gespräch kommen und unsere Forderungen jenseits der 100 Millionen Euro mit Nachdruck vertreten. Ich habe den Eindruck, dass wir da noch Nachholbedarf haben.

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