Frust, Desinteresse oder Denkzettel? Der Antragsbuch zum diesjährigen Deutschen Apothekertag (DAT) fällt deutlich dünner aus als im vergangenen Jahr. Statt durch 148 Seiten müssen sich Delegierten in München nur durch 101 Seiten kämpfen. Die Zahl der Anträge fällt mit 45 ebenfalls geringer aus als in Düsseldorf 2015 mit 68. Nur noch zwölf ABDA-Mitgliedsorganisationen beteiligen sich überhaupt mit Anträgen an der Diskussion. Das ist ein Viertel weniger als noch vor einem Jahr. In Düsseldorf meldeten noch 16 Mitgliedsorganisationen Themen an. Dafür verspricht der Auftritt von Kai-Peter Siemsen Spannung – Hamburgs Kammerpräsident kandidiert als ABDA-Präsident. Seine Kammer hat ihrem Präsidenten mit drei Anträgen die Bühne gebaut.
Ihre Unzufriedenheit mit der ABDA-Arbeit zum Ausdruck bringt wie angekündigt die Landesapothekerkammer Nordrhein: Die Apotheker um Kammerpräsident Lutz Engelen verzichten dieses Jahr auf eigenen Beiträge im Antragsheft. In Düsseldorf zählte die Apothekerkammer Nordrhein noch mit zehn Anträgen zu den Aktivposten in der Hauptversammlung.
Schmollend aus dem Antragsreigen zurückgezogen hat sich auch die Landesapothekerkammer Brandenburg. Aus Potsdam kommt kein einziger Antrag, auch nicht vom Landesapothekerverband. Dafür hatte die Kammer mit Präsident Jens Dobbert an der Spitze der ABDA aus Verärgerung die Betragszahlung gekürzt. Neben Brandenburg verzichtet dieses Jahr auch die Landesapothekerkammer Niedersachsen auf eigene Anträge.
Gelegenheit für einen ersten rhetorischen Schlagabtausch zwischen dem amtierenden ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt und seinem Herausforderer Kai-Peter Siemsen bietet sich aufgrund der Anträge der Kammer Hamburg: Siemsen und seine hanseatischen Kollegen schlagen vor, die ABDA-Arzneimitteldatenbank in eine handliche App für Smartphones und Laptops zu pressen. Die Apotheker sollte die „digitale Entwicklung selbst in die Hand nehmen“, verpackt die Kammer Hamburg ihre Kritik am aus ihrer Sicht zu behäbigen Tempo der Modernisierung.
Außerdem fordern Siemsen und seine Kollegen ABDA-Präsident Schmidt und die anderen ABDA-Vorstände zu „verstärkter Präsenz“ bei Veranstaltungen im Gesundheitsbereich wie beispielsweise beim Hauptstadtkongress, beim Aktionsbündnis Patientensicherheit und bei Pflegekongressen auf. Erforderlich sei eine „regelmäßige, deutlich wahrnehmbare Präsenz“. Sonst werde man als Heilberufler nicht wahrgenommen. Auch das könnte Präsidentschaftskandidat Siemsen als Stichwort für eine Bewerbungsrede zur ABDA-Wahl dienen. Die Bühne ist errichtet. Alle Augen werden auf Kai-Peter Siemsen schauen.
Die inhaltlichen Themenschwerpunkte beim diesjährigen DAT kreisen um Fragen der „Pharmazeutischen Kompetenz“. Dazu hat die ABDA einen Leitantrag zur Umsetzung von Medikationsanalyse und -management nach den Vorgaben des „Leitbildes 2030“ formuliert. Insgesamt 15 Anträge befassen sich mit diesem Themenkomplex.
Im zweiten Themenblock geht es um die „Sicherstellung der Versorgung“. Hierzu gibt es zwölf Anträge. Diese befassen sich mit den Strukturen der Arzneimittelversorgung, mit Rabattarzneimitteln und Packungsgrößen, Ausschreibungen, Vertriebswegen, der Zytoversorgung und mit dem Problem der Inkontinenzhilfen.
Unter dem Kapitel „Wirtschaftliche Rahmenbedingungen“ geht es in diesem Jahr um Dienstleistungsverträge mit den Krankenkassen. Die sonst in den letzten Jahren üblichen Anträge zum Apothekenhonorar fehlen komplett. Im vergangenen Jahr befasste sich der DAT noch ausführlich damit. Das ist insofern folgerichtig, weil vor einem Jahr das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) angekündigte Gutachten zum Apothekenhonorar die Gemüter erhitzte und die Hoffnungen auf eine Anhebung platzen ließ.
Inzwischen ist klar, dass das Honorarthema erst nach der nächsten Bundestagswahl wieder aufgerufen wird. Außerdem lockt die Große Koalition mit dem Versprechen, für Rezepturen und BtM-Rezepte 100 Millionen Euro zusätzlich locker zu machen.
Diese Zusage wird Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in seinem Grußwort unterstreichen – vermutlich aber nicht ohne auf die politischen Risiken und Nebenwirkungen beim Koalitionspartner SPD aufmerksam zu machen.
Nicht auf der Themenliste des Antragsbuches stehen zudem die leidigen Retaxationen. Das Interesse am jahrelangen DAT-Dauerbrenner scheint nach dem Retax-Kompromiss im Mai erlahmt – obwohl in diesen Tagen die Schiedsstelle noch einmal über den Stichtag entscheidet.
Unter der Überschift „Grundlagen der Berufsausübung“ geht es um den Apotheker als freien Heilberuf, um Antibiotika in der Tiermedizin und um die umstrittenen Freihandelsabkommen Ceta und TTIP – ein buntes Themengemisch.
Unter Punkt fünf betreibt die ABDA Nabelschau: Dort finden sich Anträge zur Öffentlichkeitsarbeit, zur Transparenz und zu Einbindung der Mitgliedsorganisationen in die ABDA-Arbeit.
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