Ein vernünftiges Kräftegleichgewicht zwischen Krankenkassen und Apothekern, mehr Verantwortung und eine bessere Honorierung – das sind die Kernforderungen von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Die Politik müsse sich auf diesem Wege offensiv für die Freiberuflichkeit einsetzen, forderte er bei der Eröffnung des Deutschen Apothekertags (DAT) in Düsseldorf.
„Freiberuflichkeit ist keine Einbahnstraße“, betonte Schmidt. Freiberufler beschränkten sich in ihrer Berufsfreiheit und verpflichteten sich zur Erbringung von Gemeinwohlleistungen ohne Rücksicht auf die eigenen wirtschaftlichen Interessen. Das sei möglich, weil sie darauf vertrauen, dass Staat und Politik ihren Teil des Vertrages erfüllten. In dieser Hinsicht gebe es aber viel zu tun.
Schmidt fordert mehr politische Unterstützung, damit Apotheker ihr volles heilberufliches Potenzial nutzen können. „Wir sind in Vorleistung gegangen im letzten Jahr und haben Politik und Gesellschaft ein Angebot gemacht“, so Schmidt. Die Politik habe die Vorschläge zwar freundlich begrüßt, aber dabei sei es bislang geblieben, kritisierte Schmidt.
Die Chance, die Vorschläge der Apothekerschaft einzubeziehen, sei im Präventionsgesetz nicht genutzt worden. Und im E-Health-Gesetz drohten sie erneut verspielt zu werden. Schmidt warf der Politik vor, die Chance für die Lösung eines Teils der Zukunftsprobleme ungenutzt zu lassen.
Diese Haltung sei nicht nur bedenklich und veranlasse manchen dazu, sich zu fragen, ob die Politik die Apotheker überhaupt noch ernst nehme, sie sei auch fachlich falsch. Schließlich gebe es zahlreiche neue Arzneimittel, die das Budget der Kassen massiv unter Druck setzen würden, wenn sie nicht sachgerecht angewendet würden. „Es reicht eben nicht, die Finanzierung dieser innovativen Arzneimittel sicherzustellen, auch ihr weiterer Weg in der Therapie muss aktiv begleitet werden“, so Schmidt.
Eine wirksame Selbstverwaltung setzt Schmidt zufolge voraus, dass sich der Staat und seine Institutionen soweit wie möglich aus der Steuerung des Gesundheitssystems heraushält und sich auf die rechtliche und politische Aufsichtsfunktion beschränken: „Staatliches Handeln im Gesundheitswesen soll Rahmenbedingungen stabilisieren und gegebenenfalls aktualisieren und für ein Kräftegleichgewicht im System sorgen.“
Allerdings habe die Politik die Machtposition der Krankenkassen in den vergangenen Jahren in einer Weise gestärkt, „dass heute ein fairer Interessenausgleich zwischen Kassen und Leistungserbringern praktisch unmöglich ist“, kritisiert Schmidt. Gemeinsam erarbeitete und getragene Verhandlungsergebnisse seien inzwischen die Ausnahme und Schiedsstellenentscheidungen die Regel.
„Wenn diese Entwicklung sich so fortsetzt, verliert die Selbstverwaltung der Heilberufe ihren Sinn“, warnte Schmidt. Freiberuflichkeit setze die berufliche Freiheit innerhalb bestimmter Grenzen voraus. Würden diese Grenzen „durch die Engstirnigkeit der Controller“ in den Krankenkassen immer enger gezogen, „sind wir unsererseits auch nicht mehr bereit, unserer Versorgungsauftrag in der bislang gewohnten Großzügigkeit zu interpretieren“, so Schmidt. Dann gebe es auch in deutschen Apotheken einen „Dienst nach Vorschrift“. Denn das Vertrauen darauf, dass es ein gemeinsames Ziel mit den Krankenkassen gebe – die bestmögliche Versorgung der Patienten –, hätten die Apotheker inzwischen verloren.
Über den Preis für die Leistung werde bereits seit über zehn Jahren verhandelt. „Dabei ist ‘verhandeln’ noch nicht einmal das richtige Wort“, kritisierte Schmidt. Erfolgreiches Verhandeln setze ein Mindestmaß an Übereinstimmung bei der Leistungsbewertung voraus – aber schon daran mangele es bei den Verhandlungen über das Fixhonorar. Apotheker seien in die Rolle eines Bittstellers verwiesen, der auf eine günstige Gelegenheit warten und dann in einem „völlig ungeregelten Prozess“ vorsprechen muss.
Das sei eine „völlig inakzeptable Situation“, so Schmidt. Es fehle an einem Mindestmaß an Planungssicherheit für den Berufsstand. „Wer aber keinerlei Planungssicherheit hat, kann das unternehmerische Wagnis nicht eingehen, weiter in seine Apotheke zu investieren.“ Infolgedessen würden die Leistungsfähigkeit des Berufsstandes nur unzureichend genutzt, Entwicklungschancen verpasst und ein ein ineffizientes System hinterlassen.
In diesem Zusammenhang kritisierte Schmidt die Berechnungsmethodik bei der Anpassung der Vergütung. Der Mehrleistungsabschlag in Höhe von 100 Prozent sei nicht nur leistungsfeindlich und ungerecht, sondern diskriminiere Apotheker massiv im Vergleich zu anderen Leistungserbringern. „Wir arbeiten für die Patientinnen und Patienten genauso engagiert und professionell wie es die Ärztinnen und Ärzte und die Krankenhäuser tun“, betonte Schmidt. „Hier muss es eine eindeutige und unmissverständliche Neuregelung geben – und zwar bald.“
Der Preis für eine Arbeitseinheit – bei Apotheken die Abgabe einer Arzneimittelpackung – müsse regelmäßig überprüft und angepasst werden. Wer mehr Arbeitseinheiten leiste, verdiene auch mehr Geld. Alles andere wäre Sozialismus. Es gehe aber auch um eine angemessene Vergütung der einzelnen Arbeitseinheit. Was die Apotheker in der Debatte erlebten, sei „eine politisch motivierte Blockade unserer berechtigten Forderung nach angemessener Beteiligung an einer positiven gesamtgesellschaftlichen Entwicklung“.
Wer sich diesem Anliegen auf Dauer widersetze, „der will, oder nimmt zumindest in Kauf, dass sich unser System der Arzneimittelversorgung negativ verändert“, gab Schmidt zu bedenken. Der Versorgungsgrad mit Apotheken liege bereits heute unterhalb des EU-Durchschnitts. Es gebe in Deutschland zu wenig Apotheker, zu wenig Studienplätze und in einigen Ländern massive Probleme bei der Ausbildung der Assistenzberufe.
Wenn weiterhin mehr Apotheken schließen als eröffnen würden und eine Apotheke für einen wirtschaftlichen Betrieb ein Einzugsgebiet von 5000 und mehr Einwohnern brauche, „wird es eng mit der pharmazeutischen Versorgung vieler kleiner Kommunen“, warnte Schmidt.
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