Schmidt: Apotheker auf Bergtour Lothar Klein, 12.10.2016 17:36 Uhr
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hat die Apotheker angesichts der Herausforderungen des Berufs zur Geschlossenheit aufgefordert. Nur so könnten die 60.000 Apotheker zu einer politischen Kraft werden, deren Forderungen Gewicht hätten. „Wir alle gemeinsam werden zu einer politischen Kraft, aber nicht zu einer Masse, die auf der Straße steht und brüllt, die aber mit sachlichen Argumente überzeugt“, so Schmidt. In wesentlichen Passagen richtetet sich Schmidts diesjähriger politischer Rechenschaftsbericht mit Blick auf die anstehen Wahlen zur ABDA-Präsidentschaft an seine Kritiker im eigenen Lager. Als Bewerbungsrede fiel sie durch: Der Beifall war deutlich schwächer als im Vorjahr.
Trotz seines Aufrufs zur Harmonie konnte sich Schmidt einen Seitenhieb auf seinen Gegenkandidaten zur Präsidentenwahl, Kai-Peter Siemsen, nicht verkneifen: Am Ende seiner Begrüßung zum Auftakt seiner 40 minütigen Rede sagte Schmidt: „Ich habe ja gelesen, ich soll nicht mehr so viel herummoderieren.“ Herausforderer Siemsen hatte Schmidt Führungsschwäche vorgehalten und kritisiert, guten Reden folgten keine Taten.
Bei der Beurteilung der Arbeit der ABDA forderte Schmidt die Apotheker auf, „aus der individuellen Perspektive hinauszutreten, das Gesamtbild zu betrachten und uns nicht von scheinbar einfachen, in Wahrheit aber vereinfachten Sichtweisen verführen zu lassen“. „Unsere berufspolitische Alltagsdebatte findet heute vielfach in den Echokammern und Filterblasen statt“, kritisierte Schmidt. Eine rationale und ausgewogene Betrachtung könne nur gelingen, „wenn wir unsere Binnensicht immer wieder mit der Außenperspektive abgleichen“.
In seiner ersten Rede als ABDA-Präsident habe er von der verbreiteten Neigung der Apotheker zur „Selbstverzwergung“ gesprochen. In den Jahren 2013 und 2014 sei „etwas Außergewöhnliches gelungen“. Die „Demütigung“ des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) habe man in ihr Gegenteil verwandelt. Man habe sich aus eigener Kraft vom Selbstmitleid befreit und sei „mit dem Perspektivpapier Apotheke 2030 in die politische Offensive gegangen“.
Manchen gehe es trotzdem nicht schnell genug voran, räumte Schmidt ein: „Warum sind wir nach 24 Monaten nicht schon weiter auf dem Weg zu dem modernen, zukunftssicheren Beruf, den wir 2014 beschrieben haben? Wann haben wir eine zukunftsfähige Lösung beim Honorar?“ Auf all diese Fragen gebe eine gemeinsame Antwort: Die Berufspolitik könne nicht nur Chancen nutzen, sondern müsse auch Risiken vermeiden. Schmidt: „Und das größte Risiko wäre der Verlust unseres Zusammenhalts.“
Als Bild wählte Schmidt eine „Studiosus“-Reise bei einer Bergwanderung. Weil die deutsche Apothekerschaft keine trainierte Seilschaft sei, gelte für „die Reiseleitung“ vor allem eines: „Alle, die sich anstrengen und engagieren, müssen oben ankommen. Wir lassen niemanden zurück, wir erreichen das Ziel gemeinsam oder wir erreichen es gar nicht. Das kostet Zeit, es verlangt Geduld von den Starken und Engagement von den Schwächeren, aber es ist der einzige Weg, der uns zusammenhält und nicht spaltet. Und auf den Zusammenhalt kommt es mir an.“
„Harter Endpunkt“ und einzig verlässliche Maßstab für die Apotheker sein die gesellschaftliche Wertschätzung. „Nur daran sollten wir uns messen“, betonte Schmidt und weiter: „Wir gehören zu den angesehensten Berufen in unserem Land, wir stehen für Seriosität, wir sind glaubwürdig und geben Sicherheit in schwierigen Situationen, die Menschen begegnen uns mit Respekt“. Das klinge vielleicht für manchen ein bisschen altmodisch, aber Apotheker würden genau deshalb geschätzt, „weil wir beständig und verlässlich sind in einer Welt der Unbeständigkeit“.
Eine Untersuchung des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) aus dem Jahr 2015 gehe davon aus, dass bis zum Jahr 2019 über 300 neue Arzneimittelprojekte für 120 Krankheiten zur Zulassung gebracht werden könnten, davon fast 180 neue Wirkstoffe. Fast alle Projekte richteten sich gegen schwere, teilweise lebensbedrohliche Erkrankungen. Die Apotheker dürften nicht zulassen, dass der laufende Innovationsprozess in der öffentlichen Debatte auf seine ökonomische Dimension verkürzt wird. „Neue Arzneimittel sind teure Arzneimittel, diese Botschaft ist in der öffentlichen Meinung weit verbreitet.
Das Arzneimittel selbst dürfe aber niemals auf seinen Kostenaspekt reduziert werden. „Arzneimittel sind besondere Vertrauensgüter“, sagte Schmidt. Apothekerinnen und Apotheker können als Vertrauenspersonen die Verbindung der Lebenswissenschaften zum Alltagsleben der Menschen herstellen, Chancen aufzeigen, Ängste abbauen und Hoffnung auf eine gute Zukunft stiften.“
Eine gute Arzneimittelpolitik habe nicht nur Wirtschaftlichkeit im Blick, sondern auch Innovationskraft und Versorgungssicherheit. Eine gute Arzneimittelpolitik stabilisiere eine sichere, konstante Versorgung und beuge Lieferausfällen und -engpässen wirksam vor. Dort gebe es erheblichen Handlungsbedarf, sagte Schmidt an die Adresse von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU): „Hier brauchen wir in Zukunft deutlich mehr politische Unterstützung.“
Als Naturwissenschaftler verstünden die Apotheker die Welt. „Wir wissen um rationale Ursachen, wo andere die Verschwörung dunkler Mächte vermuten, wir bewerten Risiken und Gefahren, wo andere den Himmel über sich einstürzen sehen“, so Schmidt.
Wenn jeder Apotheker diese Verantwortung erkenne und wahrnehme, „dann werden 60.000 Apothekerinnen und Apotheker zu einer politischen Kraft.“ Und für jede politische Partei, die Politik gestalten wolle, sei es gut, „uns als politische Kraft an der Seite zu haben. Wer die Apotheker an seiner Seite haben wolle, müsse aber „auch an unserer Seite sein, wenn es um unsere Anliegen geht“.
Geschaffen werden müsse eine Rechtsgrundlage für Dienstleistungsverträge. Die Apotheker müssten von fachfremden Eingriffen und von weltfremder Bürokratie befreit werden, forderte Schmidt und weiter: „Bekennen Sie sich zu einer angemessenen, fairen Honorierung unserer Leistung, zu einem zukunftsfähigen, gerechten Vergütungssystem.“