ARMIN ist stark und mächtig Lothar Klein, 13.10.2016 17:16 Uhr
Eine vorläufig positive Bilanz der beiden Modellprojekte ARMIN und Athina zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) zogen Ärzte und Apotheker bei einer gemeinsamen Diskussion auf dem Deutschen Apothekertag: „Die Zeit, die ich in das Gespräch mit meinem ARMIN-Apotheker einsetze, kommt 100fach zurück“, berichtete Martin Bauer, eingeschriebener ARMIN-Arzt. Auch für Hausarzt Wolfgang Ulbricht, der 60 ARMIN-Patienten betreut, klappt die Kommunikation mit dem Apotheker „ganz prima“.
Susanne Donner, ARMIN-Apothekerin aus Dippoldiswalde zog ebenfalls eine positive Bilanz: „Meine apothekerliche Expertise ist erwünscht und wird gefordert“. Aber nicht nur positive Erlebnisse hat Donner erfahren. Von einem Arzt habe sie bei einem Anruf zur Klärung der Medikation einer gemeinsamen Patienten die Antwort erhalten: „Mit Apothekern spreche ich grundsätzlich nicht.“
Das sind aber Ausnahmen und Donner ist von ARMIN überzeugt: Das Modellprojekt sei die „große Chance“ für die Apotheker, es biete eine „allumfassende Datenlage, standardisierte Abläufe und strukturierte Kommunikation mit den Ärzten“. Der Austausch mit den Ärzten sei von gegenseitigem Respekt und Vertrauen geprägt. In der Apotheke von Susanne Donner hält sich das Verhältnis der ARMIN-Patienten die Waage: Die Hälfte wurden über die Apotheke zur ARMIN-Teilnahme animiert, die andere Hälfte von Arztpraxen geschickt.
„So eine Struktur wie bei ARMIN würde ich mir auch wünschen“, so Ina Richling, Athina-Apothekerin aus Nordrhein-Westfalen. Sie müsse die Patienten ansprechen, überzeugen und sagen „Ich hab da was Neues.“ Ihre Hoffnung richtet sich auf den neuen Medikationsplan. Der erleichtere die Patienten-Ansprache: „Haben Sie Interesse an einer Medikationsanalyse?“ Das funktioniere jetzt besser.
Hausarzt Bauer ist nach eigenen Angaben „Feuer und Flamme“ für ARMIN, weil damit „die alten Strukturen aufgebrochen werden“ und er endlich auf die Wirkstoffverordnung umstellen kann. Er hält es für einfacher, die Patienten in der Arztpraxis auf ARMIN anzusprechen: „In der Praxis sind sie leichter abzuholen“. Froh ist Bauer aber darüber, dass der Brown-Bag-Check in der Apotheke stattfindet. Als Mitglied des sächsischen Hausärzteverbandes sagte Bauer zu, sich weiter dafür einzusetzen, seine Kollegen zu überzeugen.
Nach zweijährigen Vorarbeiten, Verzögerungen und Schwierigkeiten ist die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN) am 1. Juli mit dem Medikationsmanagement gestartet. Das Medikationsmanagement richtet sich an Patienten, die bei der AOK Plus versichert sind und fünf und mehr Medikamente nehmen. Die AOK Plus hat als Anschubhilfe bislang drei Millionen Euro in das Modellprojekt gesteckt und erhofft sich davon Einsparungen bei den Arzneimittelausgaben und Krankheitsfolgekosten.
Nach Angaben der beteiligten Partner – neben der AOK Plus die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und Landesapothekerverbände (LAV) – haben sich in Thüringen 361 der 1500 Ärzte und 471 von 565 Apotheken eingeschrieben. Im Nachbarland beteiligen sich 501 von rund 1000 Apotheken und nur 215 der gut 2000 Hausärzte. In Sachsen verweigert der Hausärzteverband seine Teilnahme an ARMIN.
Laut AOK Plus können 300.000 Versicherte der Kasse das neue Medikationsmanagement beanspruchen. Dafür müssen sie sich bei einem teilnehmenden Arzt oder Apotheker anmelden. Für die Aufnahme der Medikation erhalten Apotheker und Arzt im ersten Quartal 97,30 Euro und in jedem Folgequartal 22 Euro für die weitere Betreuung.
Herzstück von ARMIN ist einelektronisch gestützter Medikationsplan. Dieser basiert auf dem IT-Netzwerk der Kassenärzte. Über einen ARMIN-Server können die Medikationsdaten zwischen Ärzten und Apothekern ausgetauscht werden. Die AOK Plus speist in dieses System die ihr vorliegenden Arzneimitteldaten der letzten sechs Monate der teilnehmende Patienten ein. Arzt und Apotheker prüfen dabei gemeinsam die Medikation auf Wechselwirkungen und Unverträglichkeiten. Der Arzt kann daraufhin die Medikation anpassen.
Insgesamt besteht das Modellprojekt ARMIN aus drei Stufen: der Wirkstoffverordnung, dem Medikationskatalog und dem zum 1. Juli startenden Medikationsmanagement. Inzwischen sind 171 Monosubstanzen und 17 Kombinationen für die Wirkstoffverordnung gelistet, dazu ein Medikationskatalog mit aktuell zwölf Indikationen. In der Testphase wurde das neue Medikationsmanagement mit zwei Patienten geübt. Das Modellprojekt soll zunächst bis 2018 laufen.