Desloratadin wird rezeptfrei APOTHEKE ADHOC, 14.02.2020 12:17 Uhr
Jetzt steht es fest: Das Antiallergikum Desloratadin wird zum OTC-Arzneimittel. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am Freitagmorgen eine entsprechende Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung verabschiedet. Das ist vor allem ein Sieg für Hexal: Der Generikahersteller hatte gerichtlich für den OTC-Switch gekämpft und gegen das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gewonnen.
Bis zu 6 Millionen Euro jährliche Ersparnis für die GKV, bis zu 183.000 Stunden weniger Wartezeit für die Patienten: Diese Erleichterungen bringt der OTC-Switch von Desloratadin laut Bundesrat. Denn im Jahr 2018 wurden Arzneimittel mit dem Wirkstoff demnach in 365.000 Fällen verschrieben, 33.000 davon an PKV-Patienten. Dauert ein Arztbesuch im Schnitt 30 Minuten, ergeben sich 183.000 Arbeitsstunden.
Soweit die Statistik. Zugrunde liegt der Entscheidung des Bundesrats aber nicht die Entlastung der Ärzteschaft, sondern ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Denn obwohl der Sachverständigenausschuss bereits im Juni 2013 grünes Licht gegeben hatte, weigerte sich das BMG, Desloratadin aus der Rezeptpflicht zu entlassen. Als Grund wurde der Umstand angeführt, dass ein Switch nur für Präparate mit deutscher Zulassung, aber nicht für solche mit EU-Zulassung gelten würde. Einen geteilten Markt wolle man aber vermeiden.
Hexal sah nur den Weg, die Bundesrepublik zu verklagen. Doch weder das Verwaltungsgericht Köln noch das Oberverwaltungsgericht Münster sahen einen Rechtsanspruch. Schließlich gab das BVerwG der Nichtzulassungsbeschwerde statt und nahm den Fall zur Prüfung an.
Die Richter in Leipzig kamen zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für die uneingeschränkte Verschreibungspflicht nicht mehr vorliegen und Hexal damit in seinen Rechten verletzt wird. Schließlich sei die Änderung der AMVV der einzige Weg für einen OTC-Switch. „Weder dem BfArM noch anderen Behörden kommt bei der Anwendung dieser Norm die Möglichkeit zu, von der Verschreibungspflicht für desloratadinhaltige Arzneimittel abzusehen oder zu befreien.“
Entsprechend könne ein Antrag beim BfArM auf Änderung des Zulassungsbescheids nichts bringen, da die Behörde diesem „unter keinen Umständen entsprechen“ könnte. Selbst eine Klage sei aussichtslos: „In diesem Rechtsverhältnis kann die Klägerin ihr Rechtsschutzziel daher nie erreichen.“
Zu guter Letzt sei es auch keine Option, dass Hexal das Präparat einfach ohne den Hinweis auf die Verschreibungspflicht auf den Markt und sich selbst verklagen lasse: „Unbeschadet der Frage, ob es in solchen Verfahren auf die begehrte zukünftige Änderung der maßgeblichen Rechtsverordnung überhaupt entscheidungserheblich ankommen würde, ist der Klägerin jedenfalls nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen von der Anklagebank aus betreiben zu müssen.“
Letztlich hat das BMG dann also den am Freitag verabschiedeten Entwurf vorgelegt: Desloratadin soll in Arzneimitteln zur oralen Anwendung zur symptomatischen Behandlung bei allergischer Rhinitis und Urtikaria bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab zwei Jahren aus der Verschreibungspflicht entlassen werden. Nicht betroffen sind Präparate, die von der EU-Kommission als verschreibungspflichtig zugelassen wurden.
Im Juni 2012 hatte Hexal die Zulassung für ein Präparat mit dem Wirkstoff Desloratadin erhalten. Das Original Aerius von MSD war seit 2001 auf dem Markt, der Patentschutz damit abgelaufen. Im März 2013 beantragte der Generikakonzern die Entlassung des Antihistaminikums aus der Verschreibungspflicht. Zur Begründung führte Hexal aus, dass Desloratadin der führende antiallergische Wirkstoff in Europa sei, seine Verträglichkeit in mehr als zehnjähriger breiter Anwendung unter Beweis gestellt und sich als Substanz mit sehr gutem Sicherheitsprofil erwiesen habe.
In diesem Jahr hatten sich Hexal und 1A Pharma von den Rx-Varianten Levocetirizin 5 mg in den Packungsgrößen 20, 50 und 100 Filmtabletten getrennt und OTC-Präparate als offizielle Nachfolger eingeführt. Der Sachverständigenausschuss hatte die Entlassung aus der Rezeptpflicht empfohlen. Die Experten stimmten dem Switch einstimmig zu, denn das Sicherheitsprofil des Arzneistoffes lasse sich vom seit mehr als 25 Jahren auf dem Markt befindlichen Cetirizin (10 mg) ableiten. Neu sei der schnellere Wirkeintritt.