Der Wunsch nach mehr AMNOG APOTHEKE ADHOC, 28.05.2014 09:59 Uhr
Mit dem AMNOG war der stellvertretende Vorsitzende der Barmer GEK, Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, eigentlich zufrieden – allerdings nur mit dem Ziel. „Mit den Einsparungen sind wir natürlich nicht zufrieden“, sagte Schlenker bei der Vorstellung seines aktuellen Arzneimittelreports.
Bislang habe das AMNOG mit der Nutzenbewertung statt der versprochenen zwei Milliarden Euro lediglich 180 Millionen Euro an Einsparungen gebracht, kritisierte Schlenker. Er bedauert deshalb, dass die Regierung auf eine Überprüfung des Bestandsmarktes verzichtet.
Weil die Koalition dies nach Einschätzung des Barmer-Vize nicht korrigieren wird, schlägt die Kasse eine Stärkung der alten Kosten-Nutzen-Bewertung vor: „Das geht nach dem Gesetz nur dann, wenn bereits ein Schiedsspruch erfolgt ist. Jetzt sollte als Gegenstück für die Bestandsmarktbeendigung allen Beteiligten ermöglicht werden, dass sie die Kosten-Nutzen-Bewertung wieder fordern dürften.“
Der Barmer-Vize wünscht sich außerdem eine „Spätbewertung“ – also eine erneute Überprüfung der Arzneimittel nach zwei oder drei Jahren. Ideal aus Sicht der Kassen wäre eine Nutzenkontrolle schon bei der Zulassung – eine echte vierte Hürde: Die Zulassung sollte damit zusammengelegt werden, fordert Schlenker.
Die Kassen hätten sich immer für eine vierte Hürde eingesetzt. „Und ich habe mich gefreut, dass jetzt vom VFA selber dieser Vorschlag kam, man möge doch eine Harmonisierung von Zulassungs- und Nutzenbewertungsebene schaffen. Allerdings meinte der VFA damit wohl nur die Zulassungsebene. Wir hätten aber gerne Nutzen und Zulassung gleichzeitig und dann erst den Marktzutritt“, so Schlenker.
Der Gesundheitsökonom Professor Dr. Gerd Glaeske hat ausgerechnet, dass die Kassen bis zu 1,8 Milliarden Euro sparen könnten, wenn der Bestandsmarkt weiter durchforstet würde. Schließlich seien die meisten heute verordneten Arzneimittel aus der Zeit vor Inkrafttreten des AMNOG im Jahr 2011. „Wir haben eine neue Zeitrechnung, bei Arzneimitteln, die geprüft werden. Die meisten Arzneimittel sind aber im Bestandsmarkt zu finden. Und darunter gibt es noch ganz viele, die eigentlich nie einen vernünftigen Nutzen gezeigt haben“, so Glaeske. Es sei ein großes Ärgernis, dass der Bestandsmarkt nicht überprüft werde.
Glaeske zufolge zählen die 30 umsatzstärksten Arzneimittel bei der Barmer GEK zum Bestandsmarkt. Diese Medikamente seien oft nicht die beste Wahl für die Patienten: „Wir haben Qualitätsunterschiede im Markt und ich möchte ja gerade ein Qualitätswettbewerb im Markt forcieren.“
Der Bestandsmarktaufruf wurde von der Regierung mit der Begründung aufgegeben, der Aufwand sei zu groß. Glaeske lässt dieses Argument nicht gelten: „Der erste Aufruf hat doch funktioniert. Und insofern habe ich kein Verständnis dafür, dass man dann Schluss macht und sagt, das sei alles zu schwierig.“ Im ersten Jahr nach Ende der Bestandsmarktprüfung zeige sich, dass ein Großteil der Ausgaben der Barmer GEK auf solche Mittel entfalle. „Und das ist eigentlich ein Drama“, so Glaeske.
Schlenker kritisiert auch die Pharmaindustrie. Die Hersteller investierten nicht mehr in die Forschung, sondern kauften sich ihr Portfolio zusammen. „Das macht uns Kummer. Denn mit weniger Anbietern herrscht auch weniger Wettbewerb – und damit lässt auch der Preisdruck nach“, so Schlenker.
Auch die Verfügbarkeit leide, wenn es weniger Hersteller gebe. „Dann kann es zu Engpässen in der Versorgung kommen“, fürchtet der Barmer-Vize. Durch den Konzentrationsprozess in der Pharmabranche gebe es zudem immer weniger innovative Hersteller. „Damit werden die Forschungsaktivitäten natürlich auch immer weniger – und das ist nicht im Sinne des Erfinders.“