Im Streit um die Geheimhaltung von Arzneimittelpreisen haben die Krankenkassen einen Kompromiss angeboten: In der Lauer-Taxe soll demnach der Listenpreis stehen. Der ausgehandelte Erstattungspreis soll nicht veröffentlicht werden, aber als Grundlage für weitere Verhandlungen und Preisregulierungen dienen. Doch das System hat viele Stolperstellen.
Bei dem Streit geht es um Medikamente, die neu auf den Markt kommen und einen nachgewiesenen Zusatznutzen haben. Seit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) müssen Pharmaunternehmen und Krankenkassen über den Preis solcher Medikamente verhandeln.
Union und Hersteller wollen die ausgehandelten Preise vertraulich behandeln. Da die deutschen Preise als Referenz für andere Staaten dienen, befürchtet die Industrie sinkende Preise in verschiedenen Märkten. Die Krankenkassen hingegen sehen die Geheimhaltung als Gefahr für ihre Einsparungen und prophezeien eine Preisspirale nach oben.
Jenseits der Debatte, ob eine Geheimhaltung sinnvoll ist oder nicht, gibt es bei der Umsetzung verschiedene Probleme, auch bei dem jetzigen Kompromissvorschlag der Kassen: Zunächst stellt sich die Frage, wie verbindlich der Preis in der Lauer-Taxe sein soll. Für die Apotheker ist diese Frage nicht unerheblich, denn der variable Teil des Apothekenhonorars beinhaltet 3 Prozent des Listenpreises.
Und auch die Ärzte, die zum wirtschaftlichen Verordnen angehalten sind, treffen ihre Entscheidung anhand des Listenpreises. Ein reiner Pro-forma-Preis, der in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Wert des Arzneimittels steht, bedeutet für alle Beteiligten einen Blindflug. Das wäre dann wie bei den Rabattverträgen, bei denen auch niemand die wirklichen Einsparungen kennt.
Auch für die Reimporteure stellen die vertraulichen Preise ein großes Problem dar. Per Gesetz müssen Importarzneimittel 15 Euro oder 15 Prozent günstiger sein als das jeweilige Bezugspräparat. Ohne Kenntnis der Nettopreise könnten Importarzneimittel somit nicht angeboten werden, so der Verband der Arzneimittel-Importeure Deutschlands (VAD).
Auch hier gibt es Parallelen zu den Rabattverträgen: Kohlpharma versucht zurzeit gerichtlich durchzusetzen, dass die Rabatte veröffentlicht werden – sodass Importarzneimittel abgegeben werden könnten, wenn sie günstiger als das Präparat des Rabattpartners sind.
Die Geheimhaltung kann sowieso nur relativ sein. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) räumt selbst ein, dass sich lediglich die Zahl derjenigen reduzieren würde, die den Erstattungspreis kennen. Zumindest die Rechenzentren müssten aber die echten Preise kennen, wenn sie die Abschläge für die Kassen bei den Herstellern eintreiben sollen.
Eine direkte Abrechnung zwischen Kasse und Hersteller wie bei den Rabattverträgen wäre bei geringen Stückzahlen und vielen Beteiligten vermutlich ein unangemessener Aufwand.
Gar nicht geheim halten lassen sich die Preise bei den Privatversicherten und Sofortzahlern: Patienten müssten in der Apotheke den vollen Listenpreis zahlen. Theoretisch könnten die Krankenversicherungen dann eine Summe zurückzahlen, wenn die Patienten die Verordnung einreichen. Dies könnte über die „Zentrale Stelle zur Abrechnung von Arzneimittelrabatten“ (Zesar) realisiert werden.
Mit diesem Verfahren wird heute bereits der Herstellerrabatt an die Krankenversicherungen weitergegeben. Doch beim PKV-Verband ist man unzufrieden mit dem Verfahren: Es sei sehr aufwendig, und es gebe immer wieder Probleme, da Pharmafirmen sich weigerten, den Rabatt zu zahlen, klagt der Verband in seiner Stellungnahme zu den Arzneimittelpreisen. 2011 seien den privaten Versicherungen etwa 20 Prozent der Abschläge entgangen.
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