BMG-Datenaffäre

Der Phagro und der Verfassungsschutz

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Berlin -

Eigentlich taucht der Großhandelsverband Phagro im Prozess um den vermeintlichen Datendiebstahl im Bundesgesundheitsministerium (BMG) nur am Rande auf: Geschäftsführerin Bernadette Sickendiek sollte vor Gericht erklären, was ihr im Zusammenhang mit vertraulichen Informationen zur Novellierung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) aufgefallen war. Doch offenbar verfolgte sie ganz eigene Interessen, wie jetzt aus der Korrespondenz der Ermittler hervorgeht.

Im Prozess gegen Thomas Bellartz, früherer ABDA-Sprecher und heutiger Herausgeber von APOTHEKE ADHOC, und den ehemaligen IT-Administrator im BMG, Christoph H., hat die Verteidigung die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Denn die Ermittler haben auf Anforderung des Gerichts Informationen und Korrespondenzen nachgereicht, die ursprünglich in der Akte nicht enthalten waren. So wurde erst jetzt bekannt, dass auch gegen die ABDA ermittelt wurde. Um das umfangreiche Material komplett auszuwerten zu können, fordern die Anwälte mehr Zeit. Noch hat das Gericht über den Antrag nicht entschieden.

Doch bereits die erste Sichtung der Unterlagen hat allerlei brisante Details zutage gefördert – die einen Eindruck vermitteln, warum sie gezielt aus der Akte herausgehalten werden sollten. So soll der leitende Ermittler den Bericht der ABDA an den Phagro weitergegeben haben – offenbar jene Sonderuntersuchung, die selbst den Mitgliedsorganisationen nur verkürzt zur Verfügung gestellt wurde. „Ist dies die Aufgabe des polizeilichen Ermittlers?“, fragte Professor Dr. Carsten Wegner, der Bellartz im Prozess vertritt.

Doch es kommt noch dicker: Laut Wegner hat der Ermittler Sickendieks Kontaktdaten an den Verfassungsschutz weitergegeben. „Ist diese mehr als nur eine ‚Verbandsfürstin‘? Warum hat sie dazu nichts in ihrer Vernehmung berichtet? Welche Geheimnisse gibt es da noch?“ Wegner lieferte die Antwort gleich mit, indem er aus Sickendieks Erwiderung zitierte: Die Möglichkeit eines Gesprächs mit dem benannten Mitarbeiter des Wirtschaftsschutzes sei „auch bei meinen Mitarbeitern auf lebhaftes Interesse gestoßen“.

Nicht ausgeschlossen, dass die Phagro-Geschäftsführerin ein drittes Mal vor Gericht erscheinen muss. Denn Wegner will unverzüglich wissen, welche Rolle der Verfassungsschutz in dem Verfahren spielte, ob und wann es zu einem solchen Gespräch mit dem Phagro kam und welche Mitarbeiter und Vorstandsmitglieder über diesen Umweg noch über den Verlauf von Ermittlungen und Verfahren informiert waren.

Aus der Korrespondenz geht auch hervor, dass Sickendiek extrem freimütig über die Apothekerlobby plauderte. So soll sie in einem längerem Telefonat gegenüber dem Chefermittler erklärt haben, dass der ehemalige ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf „extrem dick“ mit Bellartz befreundet war – was Wolf bei seiner Vernehmung ganz anders geschildert hatte. „Der Nächste, der Frau Sickendiek nicht genehm ist, wird diskreditiert“, so Wegner. Schon bei ihrer ersten Zeugenaussage hatte die Phagro-Geschäftsführerin sich um Kopf und Kragen geredet und bei einem zweiten Termin den Verdacht der Falschaussage ausräumen müssen. Damit provoziert sie wiederum, dass das Gericht einen Aktenordner in der Geschäftsstelle abholen ließ – in dem dann der unautorisierte Entwurf zur ApBetrO auftauchte, den Sickendiek nicht gekannt haben will.

Dass Sickendiek überhaupt auf die Zeugenliste kam, ist für den Phagro an sich schon heikel. Kein anderer Verband – außer der ABDA – hat sich zum konkreten Fall oder auch nur allgemein zu Informationsflüssen in der gesundheitspolitischen Landschaft eingelassen. Sickendiek dagegen hatte nicht nur mehrfach sich selbst widersprochen, sondern auch in verschiedene Richtungen ausgeteilt – auch gegenüber Mitarbeitern des BMG. Die Scherben aufkehren müssen nach ihren unrühmlichen Auftritten andere: Sickendiek verlässt den Verband im September.

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