Inmitten der intensiven Sondierungen zwischen Union und SPD zur Bildung einer neuen Bundesregierung laden die Parteien in Bayern ihre Anhänger zum politischen Aschermittwoch. Während sich der CSU-Chef Markus Söder den Auftritt als Hauptredner in Passau nicht nehmen ließ, hatten die Verhandlungsführer von SPD und CDU den Termin abgesagt. Statt Arbeitsminister Hubertus Heil, der Mitglied der SPD-Sondierungsgruppe ist, kam Gesundheitsminister Karl Lauterbach nach Vilshofen.
„Als ich die Einladung nach Vilshofen bekommen habe, habe ich erst mal gezuckt“, sagte Lauterbach. Es sei eine schwierige Herausforderung für ihn, weil parallel Söder sprach. Der habe während der letzten Monate neben Merz immer wieder „säuseln müssen“, aber er werde nun sicherlich einiges zu sagen haben. Zu Fasching hat sich der CSU-Chef in diesem Jahr als Elvis verkleidet. „Er macht den Elvis der späten Jahre“, so Lauterbachs Bemerkung, der schon viel Show gemacht hat und nicht mehr gut singen konnte. „Ich weiß nicht, was er damit sagen möchte. Vielleicht, dass auch für ihn nun die besten Jahre vorbei sind.“
Auch dass sich Söder gemeinhin gerne auf seinen Social-Media-Plattformen mit und beim Essen zeigt, nimmt Lauterbach auf. Die „stolze Heimat von Haxe und Semmelknödel“ habe Söders „Pommes-Populismus“ nicht verdient.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger bezeichnete Lauterbach als „Stammtisch auf Beinen“. „Danke auch dafür, dass Sie Hubert Aiwanger nicht in den Bundestag gewählt haben. Im Vergleich zu ihm ist der Vorwurf des Populismus an Markus Söder völlig unangebracht. Zum Glück bleibt uns dieser in Berlin erspart.“
Für das Scheitern der Ampel erklärte Lauterbach, dass „wir selbst auch schuld an dem Zustand sind“. Im November sei etwas zu Ende gegangen, das mit viel Elan begonnen hatte. Das habe vor allem an der FDP gelegen und ihrem neuen „Regierungskonzept“, nämlich Opposition innerhalb der Regierung zu sein, wodurch kein wirklicher Start möglich war.
FDP stehe für „Fehlt Das Programm“. Statt konstruktiv an den Problem und Herausforderungen zu arbeiten, habe FDP-Chef Christian Lindner sich lediglich an die Schuldenbremse geklammert. Die Infrastruktur sei kaputt gespart worden, und trotzdem habe die FDP keine Einsicht gezeigt, von der Schuldenbremse Abstand zu nehmen.
„Ich glaube, dass ich für alle Verhandler sprechen kann, dass keiner von uns die FDP am Verhandlungstisch vermisst“, so Lauterbach. „Gestern haben wir vielleicht einen Meilenstein geschafft“, fügte er hinzu.
Den Regierungsbruch am Tag der Trump-Wahl bezeichnet er als Theaterstück, dass die FDP mit dem Ziel geplant und inszeniert hatte, um sich noch irgendwie über die 5-Prozent-Hürde zu retten. „Ich gehöre zu denjenigen, die die FDP im Bundestag nicht vermissen“, sagte Lauterbach.
Lindner habe bekanntlich bereits als 18-Jähriger im Anzug erklärt, dass Probleme nur „dornige Chancen“ seien. Nun scheint es, als stecke die FDP fest. Man wolle die Partei mit Geschlossenheit und Verjüngung aus der Krise retten, und dann stellten sich Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki als „frische neue Gesichter“ zur Verfügung. „Die Partei scheint bereit zu sein, den Weg in den politischen Suizid weiterzugehen“, urteilt Lauterbach.
Lauterbach sprach auch über die Herausforderungen mit den Grünen. Robert Habecks Wirtschaftspolitik sei unorthodox gewesen und sei nicht angekommen, so seine Kritik. „Das Angebot war top, die Nachfrage war nicht so dolle“, zitiert er den Wirtschaftsminister. Vielleicht sei das Angebot von Habeck aber auch nicht so „top“, wie er es immer behauptet habe, so Lauterbach.
Er lobte jedoch auch die Ampelkoalition: „Wir haben die Gasnotlage durch den Angriffskrieg überstanden, Millionen von Haushalten durch Zulagen unterstützt, Jobs mit Heil gesichert und Fachkräfte besser integriert. Wir haben die Inflation wirksam bekämpft und über eine Million ukrainische Flüchtlinge aufgenommen.“ Lauterbach betonte, dass Deutschland die Ukraine weiterhin stark unterstütze und die Krankenhausreform ein wichtiger Schritt gewesen sei.
Es sei schwierig gewesen, die neue Wirtschaftspolitik zu verkaufen, obwohl sie doch immer so gut erklärt worden sei: „Unternehmen sind nicht insolvent, sie hören nur auf, zu verkaufen.“ Vielleicht könnten sich die Ärzte hier eine Scheibe abschneiden: „Der Patient ist nicht tot, er hat einfach nur aufgehört zu atmen. Vielleicht denken wir auch einfach zu kompliziert.“ Dennoch betonte er, dass Habeck ein geschätzter Kollege war, der stets anpacken und handeln wollte. Die Grünen hätten selbst in ihrer Rolle in der Opposition einen besseren Partner abgegeben als die FDP in der Regierung – „dafür müssen wir dankbar sein“.
Abschließend äußerte er sich zur Politik des Kanzlers: „Olaf Scholz war und ist ein guter Bundeskanzler, dem das Land viel verdankt. Wir stehen vor wichtigen internationalen Herausforderungen. Wir müssen die Verteidigung aufstellen, Industrieland bleiben und in CO2-Neutralität investieren.“ Lauterbach betonte, dass die sozialen Themen in Deutschland ebenfalls dringend angegangen werden müssen, unter anderem die steigenden Mieten. „Es kann nicht sein, dass Pflegekräfte, Polizisten und ÖPNV-Mitarbeiter nicht in der Stadt leben können, in der sie arbeiten“, sagte er.
Auch das Gesundheitssystem müsse weiter reformiert werden. Pflegebeiträge dürften kein Armutsrisiko für ältere Menschen mehr sein und dringend müssten pflegende Angehörige besser unterstützt werden. „Pflegende Angehörige müssen finanziell besser gestellt und ihre Arbeitsbelastung verringert werden.“ Außerdem dürfe es nicht sein, dass ein gesetzlich Versicherter jahrelang Beiträge einzahlen müsse und dann, wenn es nötig wird, keinen Facharzttermin bekommt, weil Privatpatienten bevorzugt werden. „Die Zwei-Klassen-Gesellschaft muss beendet werden“, sagte Lauterbach.
Auch US-Präsident Donald Trump ging Lauterbach in seiner Rede an. In Amerika würde die Demokratie regelrecht abgerissen. Er kritisierte weiter, dass Elon Musk die AfD und damit die undemokratischste Partei Deutschlands unterstütze. Das Gespräch zwischen Musk und Alice Weidel sei der Tiefpunkt des Wahlkampfes gewesen.
Auch dass das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) es nicht in den Bundestag geschafft hat, sei für alle ein Gewinn, „denn eine zweite moskautreue Partei haben wir im Bundestag nicht gebraucht“. Er sei sich sicher, dass es sich mit dem BSW jetzt erledigt habe.
Die Regierungsbildung sei kein Selbstläufer, erklärt er abschließend. Jetzt sei nicht der Moment, alte Rechnungen zu begleichen, sondern konstruktiv nach vorne zu blicken, erklärt er. Mit dem Sondervermögen habe die Union einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. „Erst das Land, dann die Partei und zuletzt die Person – das ist der Geist, in dem diese Verhandlungen geführt werden müssen.“