Kommentar

Der neue Apotheken-Sozialismus Laura Schulz, 15.12.2023 11:39 Uhr

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Tom Bellartz, Herausgeber von APOTHEKE ADHOC, kommentiert die aktuellen Apotheken-Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Berlin - 

Tom Bellartz, Herausgeber von APOTHEKE ADHOC, kommentiert die aktuellen Apotheken-Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): Karl Lauterbach sagt, er will die Arzneimittelversorgung durch Apotheken erneuern. Und weil mittlerweile auch bei ihm angekommen ist, dass Apotheken eben keine Großverdiener sind, sondern viele einer Pleite näher als dem millionenschweren Vorruhestand sind, bietet er eine Lösung an. Nur riecht die Lösung eher nach Lösungsmittel, ist giftig und ungenießbar.

Der Minister will Apotheken kein zusätzliches Honorar geben. Er will Honorar umverteilen. Von XL-Apotheken soll das Honorar hin zu kleinen Apotheken auf dem Land fließen. Übersetzt heißt das: Karl Lauterbach will einen klassisch sozialistischen Verschiebebahnhof einrichten. Der SPD-Mann glaubt eben nicht an Leistung, sondern nur an Umverteilung.

Stellen wir uns vor, auch im Bundeskabinett, im Bundestag würde so verfahren: Diejenigen mit den höheren und höchsten Nebeneinkünften bekommen weniger Diäten. Lauterbach hätte früher oft zu denen gezählt, die als Abgeordnete weniger oder nichts bekommen hätten. Er hat gern nebenbei gearbeitet. Ob er mit der Regelung zufrieden gewesen wäre?

Lauterbach will umwerfen statt bewahren

Lauterbachs neue Verteilungs-Doktrin ist keine Überraschung. Denn schon mit seinen Vorschlägen zu Gesundheitskiosken hat er gezeigt, was er von der Versorgung durch Apotheken und übrigens auch durch Hausarztpraxen hält. Nichts.

400 Millionen soll der Kiosk-Spaß Kassen und Kommunen kosten. 400 Millionen, die man besser in die bestehende Versorgung investieren könnte, wenn man denn wollte. Nur Lauterbach will anders.

Was ist XL?

Was eigentlich eine XL-Apotheke ist, ob sie nach Fläche, Umsatz, Ertrag, Mitarbeiteranzahl, OTC-Rx-Anteilen bemessen wird: eigentlich egal. Denn auch wenn die Summe der fünf Postleitzahlzahlen darüber entscheiden würde: Die Idee ist gesundheitspolitischer Schwachsinn.

Und sie ist natürlich auch ökonomisch brandgefährlich: Den SPD-Minister interessiert nicht, wieviel Selbstständige in ihre Apotheke, deren Ausstattung, den Standort, in Mitarbeitende, aber vor allen Dingen in die Patientinnen und Patienten bisher schon investiert haben. Lauterbach denkt in Kategorien, die sehr viel mit Neid und Missgunst gemein haben. Und sein giftgrünes Szenario spiegelt dies immer wider.

Dass er ernsthaft großen Apotheken grundsätzlich eine intensive Beratung der Patient:innen abspricht, zeugt davon, dass er sich gar nicht vorstellen kann, dass eben genau diese bessere Beratung auch dazu führen kann, dass man mehr Umsatz macht. Und dass Patient:innen besser als schlechter versorgt werden. Und genau dies gilt für kleine wie für große Apotheken.

Nur: Er weiß gar nicht, was Umsatz und Ertrag miteinander zu tun haben. Ihm ist auch egal, dass eben nicht nur Leiter:innen von Apotheken betroffen sein werden, sondern eben auch Tausend Mitarbeitende. Die Demotivation durch diesen Minister ist frappierend.

Lauterbach plant ohne Apotheken

Lauterbach lenkt ab. Er will keine Lösung für die Probleme der Arzneimittelversorgung oder der Apotheken. Er will eine komplett neue Arzneimittelversorgung. Und zwar ohne die Apotheke. Noch traut er sich nicht, das offen zu sagen. Aber alle Ankündigungen, alle Entscheidungen, alles, was er sagt, nicht sagt, tut oder eben nicht tut, zielen darauf ab, die Apothekenstruktur, wie wir sie heute kennen, zu killen.

Lauterbach steht der Apotheke feindlich gegenüber. Wer anderes glauben mag, der wartet auch am 24.12. vergeblich aufs Christkind. Dabei wäre es für ihn leichter und ehrlicher, die wahren Verwerfungen des Systems zu erkennen und die Mittel klug umzuschichten.

Stellschraube Versender

Die wahren XXXL-Apotheken finden sich jenseits der Grenze, in den Niederlanden. Dort, wo Unternehmenssteuern niedrig und Subventionen hoch sind, werden hunderte Millionen Rx-Umsätze schon heute verbucht. Und es werden demnächst mit dem E-Rezept immer mehr. Die Aktienkurse steigen schon heute in froher Erwartung. Und mit jedem weiteren Vorstoß Lauterbachs hin zur Enteignung der Vor-Ort-Apotheken knallen in Venlo & Co. die Schampuskorken.

Lauterbach könnte ein Rx-Versandverbot schnell und konsequent und mit der Unterstützung der Opposition umsetzen. Denn viele Aufgaben, die deutsche Apotheken, egal ob groß oder klein, Tag und Nacht erbringen, werden jenseits der Grenze nicht erbracht. Faktisch ist das heute die größte Belastung für die deutsche Arzneimittelversorgung und die GKV. Hunderte Millionen fließen nach Holland; während die Leistungen weiterhin von den Apotheken in Deutschland erbracht werden. Lauterbach könnte im Handstreich hunderte Millionen von diesen Konzernen in die wohnortnahe Arzneimittelversorgung verschieben.

Marktveränderung & Spaltung

Lauterbach weiß überdies, dass er seine Umverteilung von großen zu kleinen Apotheken nicht wird durchbringen können. Aber er wird es schaffen, die Abda und die Apotheken damit zu beschäftigen, während durch mehrere andere Hintertüren die wahren Marktveränderungen stattfinden. Und es keine fällige Honoraranpassung oder andere Entlastungen für die Apotheken geben wird.

Der Minister wird in den kommenden Wochen mit Elektronischer Patientenakte und E-Rezepteinführung gleich zwei Digitalprojekte als seine persönlichen Erfolge verbuchen. Und genau so wird dies in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Gegen Lauterbach zu kämpfen, wird also hart und erfordert Mut, Ausdauer und Durchsetzungskraft.

Es ist wichtig, seine tatsächlichen Ziele öffentlich zu machen: Lauterbach will einen Keil zwischen die Apotheken treiben. Heute sind es die großen oder kleinen Apotheken. Morgen sind es Stadt- und Landapotheken, übermorgen Apotheken mit hohem oder geringem Rx-Anteil. Seine Politik ist eine Politik der Zerstörung. Es ist eine Politik, die darauf abzielt, ein funktionierendes System gegen die Wand zu fahren, um dann als Erneuerer vermeintlich disruptiv mit Konzernen und Ketten die angeblichen Verbesserungen einzuführen.

Wo ist die Abda?

Seine Ankündigungen sollten nicht nur der Abda und allen, die sich nicht trauen, gegen ihn aufzustehen, eine Lehre sein. Warum aus der Heidestraße nichts zu Lauterbachs Plänen zu hören ist, ist grotesk. Weil man aktuell wohl bei guten Gesprächen im BMG sitzt? Oder vielleicht, weil man bereits von den Plänen wusste? Weil die Abda, wie schon 2003, selber die Umverteilung unterstützt?

Lauterbach hat noch nicht fertig. Er fängt gerade erst an. Der Mann nutzt die aktuelle Schwäche des Berufsstandes, der Abda, vor allem die der Apotheken, die sinkenden Erträge, die er selber maßgeblich verursacht hat, um seine Pläne von der Arzneimittelversorgung der Zukunft durchzudrücken. Und diese Vision hat nichts mehr mit Apotheke und Versorgung zu tun. Karl Lauterbach enteignet langsam, aber sicher die deutschen Apotheken.

Es ist Zeit, diesem Spuk angstfrei und mit mehr Konsequenz zu begegnen. Bevor es zu spät ist.