Der inszenierte „sanfte Tiger“ Tim Braune, Frank Rafalski / dpa, 16.05.2011 09:39 Uhr
Parteichef, Minister, Arzt und Familienmensch - Dr. Philipp Rösler krempelt die FDP in Rostock flüsternd um. Er ist in Stil und Ton das krasse Gegenteil von Guido Westerwelle. Das Neueste in der FDP ist die Tonlage. Der Parteitag ist begeistert. Kein erhobener Zeigefinger mehr, keine Stakkato-Sätze oder schrillen Basta-Rufe - der republikweit bekannte „Westerwelle-Sound“ ist bei den Freien Demokraten passé.
Rösler flüstert fast: eher Kammerton, viele persönliche Anekdoten, auch Witze, dazwischen messerscharfe Sätze. An der Spitze der FDP - das zeigen die Reden des alten und des neuen Vormanns am Wochenende beim Parteitag in Rostock hat auch ein ganz anderer persönlicher Stil Einzug gehalten.
Schon der Umgang mit der Familie. Rösler und seine Ehefrau Wiebke treten in Rostock ganz betont als Team auf. „Das ist ein schöner Start in die neue Aufgabe“, sagt die Klinikärztin unmittelbar nach der Wahl noch mit Freudentränen im Gesicht. „Es liegt ein hartes Stück Arbeit vor uns.“ Ihre Zwillinge spielen zu dieser Zeit in der Parteitags-Kita „Engelchen und Bengelchen“. Alle Reporter mussten eine Erklärung unterschreiben, dass die beiden Mädchen nicht fotografiert werden dürfen.
Dabei nutzt der 38-Jährige die Familie offensiv zur Inszenierung von Bürgernähe. Dr. Rösler, der als Gesundheitsminister auch mal auf dem Feldbett im Büro schlief, erzählt gerne, dass er eine Wohnung sucht, damit seine Lieben aus Hannover ihm in der Hauptstadt näher sein können. Zum Repertoire gehören die netten Geschichten über seinen Adoptivpapa, die Schwiegermama oder deren 93-jährige Mutter Clärchen, die in Rostock alle mit dabei sind.
Jubel scheint dem gebürtigen Vietnamesen eher peinlich zu sein. Wie Westerwelle setzt Rösler in seinen Reden bewusst Pointen, trägt sie aber meist nicht in Schlagzeilen, sondern eher diskursiv vor. In Rostock erläutert er, wie das mit der Durchsetzungskraft des „sanften Tigers“ Rösler ist.
„Wenn Sie einen Frosch in heißes Wasser werfen, dann hüpft er sofort heraus. Wenn Sie einen Frosch in kaltes Wasser setzen und langsam die Temperatur erhöhen, wird er zuerst nichts merken und nichts machen. Und wenn er etwas merkt, dann ist es zu spät für den Frosch. So viel zum netten Herrn Rösler.“
An anderer Stelle wiederholt er eine ältere Anekdote: „Mein Vater hat gesagt: Du musst den Tiger reiten, darfst aber nicht gefressen werden.“ Und über sein asiatisches Äußeres: „Es gehört zu einer liberalen und toleranten Gesellschaft dazu, dass es Politiker gibt, die halt so aussehen wie ich.“
Am Ende seiner Rede steht er im nicht enden wollenden Beifall ein bisschen verlegen auf der Bühne und nestelt an seiner rosa Krawatte. Dann huscht er aus dem grellen Licht hinunter zu seiner Frau, lässt sich umarmen und küssen. Als der Applaus nach neun Minuten endlich endet, setzt sich er sich einfach wieder auf seinen Podiumsstuhl.
Er spürt, dass er seine erste Mission erfüllt hat: Nach diesen fast 70 Minuten freier Rede ist die FDP eine Rösler- und keine Westerwelle-Partei mehr. Wie lange? „Mit 45 ist Schluss“, sagt Rösler immer wieder. Das wäre dann Februar 2018.