Lucha gegen die Ärzteschaft

Der Homöopathie-Showdown

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Berlin -

Eigentlich geht es nur um eine Weiterbildung und um einen Zusatz auf der Visitenkarte oder auf dem Schild an der Arztpraxis. An homöopathischer Anamnese, Diagnostik und Therapie will die baden-württembergische Landesärztekammer nicht rütteln. Wegen der Freiheit der Berufsausübung. Doch Homöopathie ist ein Reizthema. Daher ist die jüngst entfachte Debatte spannend – auf Konfrontationskurs mit der Ärzteschaft ist Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha.

Erst sagte der Grünen-Politiker in der „Südwest Presse“, er halte den Beschluss der Ärztekammer, Homöopathie aus der Weiterbildungsordnung zu streichen, für „das absolut falsche Signal“. „Baden-Württemberg ist das Land der Naturheilkunde und gerade die Homöopathie ist für viele Bürgerinnen und Bürger im Land ein wichtiger Teil ihrer Gesundheitsversorgung.“ Wenige Tage später legte er im „Südkurier“ nach und antwortete auf die Frage, ob er an die Wirksamkeit der Homöopathie glaube, mit einem unmissverständlichen „Ja“.

Genau daran aber scheiden sich die Geister. „Viele Forschergruppen haben in hochwertigen Studien übereinstimmend festgestellt, dass Homöopathie keine Wirkung hat, die über einen Placeboeffekt hinausgeht“, teilt die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) mit. Homöopathische Mittel kosteten das Gesundheitssystem Geld und könnten dazu führen, dass Menschen auf wirkungsvolle Behandlungen verzichten oder Vertrauen in die wissenschaftlich basierte Medizin verlieren. „Außerdem fördern sie die Einstellung, jede Bagatellerkrankung behandeln zu wollen – auch wenn gar keine Behandlung erforderlich wäre.“

Studienlage eindeutig

Die Krankenkasse AOK Baden-Württemberg spricht von einer „Alternative zur wissenschaftsorientierten und evidenzbasierten Medizin“. Für deren Wirksamkeit gebe es – wie bei den meisten anderen alternativen Heilmethoden – keinen Nachweis in methodisch hochwertigen Studien.

UPD und AOK räumen ein, dass Angebote wie Homöopathie nachgefragt werden. Eine solche Behandlung könne auch zu einer subjektiv wahrgenommenen Verbesserung der gesundheitlichen Situation bei den Behandelten führen und damit das Behandlungsziel erreichen, erklärt ein AOK-Sprecher. Von der UPD heißt es: „Angebot und Nachfrage nach diesen Verfahren wird es immer geben – und dagegen ist auch nichts einzuwenden, solange sich Menschen informieren, auf eigene Verantwortung und eigene Kosten für diese Angebote entscheiden.“

Die Medizin sollte demnach jedoch den Anspruch haben, Risiko und Nutzen von Behandlungen realistisch darzustellen und unnötige Behandlungen zu reduzieren – „seien es Globuli oder Operationen“. Die ärztliche Zusatzqualifikation „Homöopathie“ vermittele Patienten und Patientinnen jedoch den Eindruck, dass es sich um ein anerkanntes und wirksames Therapieverfahren handele. Daher hält die UPD es für „begrüßenswert“, diese Zusatzqualifikation zu streichen.

Beschluss der Landesärztekammer

Zu diesem Schritt hatte sich die Vertreterversammlung der Landesärztekammer im Juli mit deutlicher Mehrheit nach einem längeren Prozess entschieden. Sie sieht sich auf Linie mit 12 von 17 Landesärztekammern und einem Beschluss des 126. Deutschen Ärztetags. Auch Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen und Westfalen-Lippe haben Homöopathie laut Bundesärztekammer in der Weiterbildungsordnung. Ein Sprecher der Landesärztekammer erklärt zudem, die Zusatzbezeichnung sei keine Voraussetzung für Diagnostik und Therapie in dem Bereich.

Bis zum 5. September kann nun jeder und jede im Internet unter www.aerztekammer-bw.de im Rahmen einer europarechtlich vorgeschriebenen Verhältnismäßigkeitsprüfung den eigenen Standpunkt darlegen. Die Ergebnisse dieses Beteiligungsverfahrens werden der Vertreterversammlung im Herbst vorgelegt, damit sie sich abschließend eine Meinung bilden kann. Danach prüft das Sozialministerium als Rechtsaufsicht der Ärztekammer die Änderungssatzungen. Inwiefern Hausherr Lucha hier das Ergebnis schon vorweggenommen hat, ist offen.

Homöopathie-Anhänger registrierten seine Äußerungen jedenfalls mit Begeisterung. Lucha sei Sprachrohr der Wähler, vertrete die Interessen des Volkes, erklärt etwa der Präsident des Dachverbands der homöopathischen Laienvereine Hahnemannia, Mario Hopp. Das Land Baden-Württemberg sei eine „Homöopathie-Hochburg“, betont er. „Allein die vielen homöopathischen Laienvereine zeigen auf, dass die Homöopathie im Volk sehr beliebt war und weiterhin ist.“

Spricht Lucha ein Machtwort?

Auch parteipolitisch ist der Disput interessant, hatten sich die Grünen auf Bundesebene doch erst vor wenigen Jahren über die Finanzierung von Homöopathie gestritten. Von der Landespartei gibt es keinen Kommentar dazu, ob Lucha aktuell im Konsens handelt. Auch aus dem Staatsministerium erfährt man nicht, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann dazu steht. Dessen Sprecher verweist lediglich auf die Ressortzuständigkeit. Sprich: Luchas Ministerium entscheidet.

Selbst wenn die Zusatzbezeichnung aus der Weiterbildungsordnung gestrichen wird, hat das aus Sicht der Techniker Krankenkasse in Baden-Württemberg keine praktischen Auswirkungen. Ähnlich äußert sich der AOK-Sprecher: „Auch im Falle einer Aktualisierung der Weiterbildungsverordnung wird es noch auf Jahre hinaus praktizierende Ärzte mit der genannten Zusatzqualifikation geben.“

Mediziner streben Konsens an

994 waren das nach Angaben der Landesärztekammer Stand Februar 2020. Von rund 72.000 Mitgliedern. 220 Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzweiterbildung seien ohne ärztliche Tätigkeit gemeldet. Die Zahl der neuen Anerkennungen lag in den vergangenen Jahren jeweils im niedrigen einstelligen Bereich zwischen eins und fünf.

Sollte das Sozialministerium kein grünes Licht für die geplante Änderungssatzung geben, wollen die Mediziner aber nicht aufgeben, wie ein Sprecher der Kammer erklärt: „Falls keine Genehmigung erteilt würde, wären wir weiterhin bemüht, gemeinsam mit dem Sozialministerium eine einvernehmliche Lösung zu finden.“

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