GKV-Arzneimittelausgaben

Defizit: Corona beutelt Gesundheitsfonds

, Uhr
Berlin -

Die 105 Krankenkassen haben in den ersten neuen Monaten dieses Jahres insgesamt ein Defizit von knapp 1,7 Milliarden Euro verbucht. Die Finanzreserven der Krankenkassen lagen zum Stichtag 30. September bei immer noch 17,8 Milliarden Euro. Dies entspricht 0,81 Monatsausgaben und damit im Durchschnitt etwa dem Vierfachen der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve. Gebeutelt durch die Corona-Pandemie wurde vor allem der Gesundheitsfonds. Dieser schloss in den Monaten von Januar bis September mit einem ein Defizit von 5,1 Milliarden Euro ab. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) entwickelten sich die Ausgaben der Kassen für Arzneimittel aufgrund der Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr langsamer.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zur GKV-Bilanz: „Die aktuellen Zahlen zeigen: Die Pandemie hinterlässt immer deutlichere Spuren bei den Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Daher werden wir der gesetzlichen Krankenversicherung in diesem und auch im nächsten Jahr durch einen zusätzlichen Bundeszuschuss unter die Arme greifen. So verteilen die Lasten fair und leistungsgerecht auf verschiedene Schultern. Das ist in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein gutes und richtiges Signal an Beitragszahler und Arbeitgeber.“

Einnahmen der Krankenkassen in Höhe von 194,7 Milliarden Euro standen im 1. bis 3. Quartal Ausgaben von rund 196,3 Milliarden Euro gegenüber. Die Einnahmen der Krankenkassen, die sie in erster Linie durch vorab festgelegte Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten, sind um 4,0 Prozent gestiegen. Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,3 Prozent einen Zuwachs von 4,2 Prozent. Dies entspricht dem Ausgabenzuwachs, den der GKV- Schätzerkreis für das Gesamtjahr erwartet hat. Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz liegt weiterhin stabil bei 1,0 Prozent.

Bis auf die landwirtschaftliche Krankenversicherung, die einen Überschuss von rund 45 Millionen Euro erzielte, verbuchten alle Krankenkassenarten im 1. bis 3. Quartal Defizite: Die Ersatzkassen erzielten ein Minus von 280 Millionen Euro, die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) von 1,09 Milliarden Euro, die Betriebskrankenkassen (BKK) von 95 Millionen Euro, die Innungskrankenkassen (IKK) von 156 Millionen Euro und die Knappschaft von 101 Millionen Euro.

Der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 15. Januar über eine Liquiditätsreserve in einer Größenordnung von rund 10,2 Milliarden Euro verfügte, verzeichnete im 1. bis 3. Quartal ein Defizit von rund 5,1 Mrd. Euro. Dieses Defizit ist neben den üblichen saisonalen Effekten maßgeblich auf konjunkturbedingte Mindereinnahmen sowie auf Corona bedingte Ausgleichszahlungen an Leistungserbringer zurückzuführen. Für die Ausgleichszahlungen für freigehaltene Krankenhausbetten sowie zum Ausgleich von Belegungsrückgängen von Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, den Ausbau von Intensivbetten sowie zum Ausgleich von Einkommenseinbußen für Heilmittelerbringer und die Zuschüsse für Sozialdienstleister wurden aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds bis Ende September insgesamt rund 10,5 Milliarden Euro ausgezahlt. Davon hat der Bund als Kompensation für die Ausgleichszahlungen aufgrund von Belegungsrückgängen in Krankenhäusern für das 1. bis 3. Quartal rund 8,8 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds erstattet.

Der Zuwachs der Beitragseinnahmen blieb mit lediglich 2,1 Prozent – trotz der Stabilisierung der Sozialversicherungseinnahmen durch die Regelungen beim Kurzarbeitergeld – erheblich hinter den Veränderungsraten der Vorjahre mit durchschnittlich deutlich über 4 Prozent zurück. Deshalb sei es wichtig gewesen, dass der Bund die Einnahmen des Gesundheitsfonds durch einen ergänzenden Bundeszuschuss in Höhe von 3,5 Milliarden Euro in der zweiten Jahreshälfte stabilisiert habe. Bei den Krankenkassen gab es im 1. bis 3. Quartal einen absoluten Ausgabenzuwachs für Leistungen und Verwaltungskosten: Die Leistungsausgaben stiegen um knapp 4,2 Prozent, die Verwaltungskosten um 5,8 Prozent.

Bei der Interpretation der Daten des 1. bis 3. Quartal sei grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen von Schätzverpflichtungen geprägt seien, da Abrechnungsdaten häufig noch nicht oder nur teilweise vorlägen, so das BMG. Diese Unsicherheiten gelten insbesondere im Bereich der vertragsärztlichen Vergütung.

Die Beschleunigung des Ausgabenanstiegs im 3. Quartal nach einem Rückgang im isolierten 2. Quartal spiegele vor allem eine wieder erhöhte Inanspruchnahme von Leistungen in verschiedenen Leistungsbereichen in den Sommermonaten wieder. Nach der deutlichen Steigerung der Corona-Fallzahlen seit Mitte Oktober und dem damit verbundenen erneuten schrittweisen Lockdown müsse erneut mit einer rückläufigen Leistungsinanspruchnahme außerhalb der Versorgung von Covid-19-Patienten gerechnet werden.

Nach einem Ausgabenrückgang im 2. Quartal ist es im 3. Quartal im Zuge einer Normalisierung des Leistungsgeschehens – teilweise verbunden mit erwartbaren „Nachholeffekten“ – wieder zu steigenden Ausgaben gekommen. Das gilt insbesondere für den Bereich der ärztlichen Behandlung, deren Zuwachs nach einem Anstieg von 4,5 Prozent im 1. Halbjahr auf 7,4 Prozent für das 1. bis 3. Quartal gestiegen ist. Da für das 2. und 3. Quartal noch keinerlei Abrechnungsdaten der Ärzte vorliegen, sind diese Veränderungsraten noch sehr unsicher und in hohem Maße von Einschätzungen der Krankenkassen geprägt.

Auch bei den Krankenhausausgaben, die im 1. Halbjahr noch um 2,4 Prozent zurückgingen, verbuchten die Krankenkassen im 1. bis 3. Quartal wieder einen Anstieg von 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Krankenhäuser bis Ende September rund 8,8 Milliarden Euro aus Steuermitteln für freigehaltene Betten erhielten.

Die Ausgaben für Arzneimittel stiegen im 1. bis 3. Quartal um 6,1 Prozent. Hier haben sich laut BMG die Ausgabenzuwächse im Jahresverlauf abgeflacht. Dabei führt auch die Absenkung der Mehrwertsteuer in der zweiten Jahreshälfte zu Entlastungen. Insgesamt zahlten die Kassen in den ersten neun Monaten für Arzneimittel 34,2 Milliarden Euro, rund zwei Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Zweistellige Zuwachsraten gab es hingegen weiterhin bei den Krankengeldausgaben, die einen Anstieg von 12 Prozent verzeichneten. Im Vergleich zum Halbjahr mit einem Plus von mehr als 14 Prozent ist hier jedoch ein rückläufiger Trend zu beobachten.

Ausgabenrückgänge gab es im 1. bis 3. Quartal im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum bei zahnärztlicher Behandlung (-0,4 Prozent), bei Zahnersatz (-7,2 Prozent), Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen (-15,2 Prozent) sowie Früherkennungsmaßnahmen (-2,2 Prozent). Der im Vergleich zu den gesamten Leistungsausgaben überproportionale Zuwachs bei Verwaltungskosten der Krankenkassen von 5,8 Prozent ist laut BMG zum Teil auf eine erhöhte Bildung von Altersrückstellungen bei einzelnen Krankenkassen zurückzuführen. Auffällig sind im Kassenartenvergleich insbesondere hohe Ausgabensteigerungen bei den AOKen sowie der Knappschaft.

Die bisherigen Ausgabenzuwächse der Krankenkassen von 4,2 Prozent im 1. bis 3. Quartal bewegen sich bislang im Rahmen der Prognose des GKV-Schätzerkreises, der für das Gesamtjahr eine Veränderungsrate von 4,3 Prozent prognostiziert hat. Die vorläufigen Finanzergebnisse der Krankenkassen für das Gesamtjahr werden erst Anfang März 2021 vorliegen. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem Frühjahr sei aber davon auszugehen, dass es in der laufenden zweiten Corona-Welle wieder zu deutlichen Entlastungseffekte auf der Ausgabenseite der Krankenkassen kommen werde, die auch im ersten Quartal 2021 anhalten könnten. Eine in der Realität günstigere Ausgabenentwicklung im Vergleich zur Prognose des Schätzerkreises erscheine deshalb sowohl für das laufende als auch für das kommende Jahr nicht unwahrscheinlich.

Mit dem Maßnahmenpaket, dass der Bundestag beschlossen habe, würden die Voraussetzungen für eine stabile Finanzierungsgrundlage der GKV auch im kommenden Jahr geschaffen. Die drohende Finanzierungslücke für 2021 werde durch einen ergänzenden Bundeszuschuss von 5 Milliarden Euro, eine leistungsgerechte Abführung aus den Finanzreserven der Krankenkassen in Höhe von 8 Milliarden Euro sowie die Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um 0,2 Beitragssatzpunkte geschlossen. „Damit kann die vom Bundeskabinett im Juni beschlossene Sozialgarantie zur Begrenzung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags auf unter 40 Prozent auch in 2021 eingehalten werden“, so das BMG.

 

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema
Mehr zum Thema
Zwischen 0,4 und 1,9 Prozentpunkten
Mehrheit der Kassen erhöht Beitrag
Engpasspauschale pro Zeile
Abgaberangfolge gilt auch bei Engpass
Mehr aus Ressort
ApoRG in nächster Legislatur
Köpping setzt auf Nachwuchsförderung
Paul-Ehrlich-Institut
Neuer Chef fürs PEI

APOTHEKE ADHOC Debatte