DAV-Wirtschaftsforum

Becker: Mehr Geld schon 2015 Patrick Hollstein, 07.05.2014 11:07 Uhr

Weiter Nachholbedarf: Laut DAV-Chef Fritz Becker waren die Apotheker zu lange von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt. Deshalb fordern sie schon 2015 mehr Geld. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Trotz positiver wirtschaftlich Entwicklung: Laut Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), haben die Apotheken Anspruch auf mehr Geld. „Wir

haben weiterhin Nachholbedarf, denn wir waren viel zu lange von wirtschaftlicher Entwicklung abgekoppelt“, sagte Becker beim DAV-Wirtschaftsforum in Berlin. „Wir kennen jetzt unsere neuen Gesprächspartner in der Politik und werden unsere mehr als gerechtfertigten Forderungen in aller Deutlichkeit vortragen.“ 

Bei anderen Leistungserbringern seien Anpassungen der Vergütung eine Selbstverständlichkeit, also seien auch die Apotheker berechtigt, so Becker: „Eine Anhebung 2015 ist nicht nur angemessen, sondern notwendig zur langfristigen Sicherung der Arzneimittelversorgung.“

Über die Anpassungen im vergangenen Jahr haben sich die Apotheken laut Becker „nicht ohne Vorbehalte freuen“ können: Für einen „schmalen Beigeschmack“ habe nicht nur das begrenzte Ausmaß gesorgt, sondern auch die Rechenmethodik: Die Verrechnung von Kosten- mit Ertragssteigerungen sei leistungsfeindlich und komme einer dauerhaften Ertragsdecklung gleich, so Becker: „Eine solche Rechenmethodik ist absolut nicht akzeptabel und darf keinen Bestand haben.“

Weitere Felder, in denen die Leistungen der Apotheker laut Becker nicht angemessen honoriert werden, sind Rezepturarzneimittel und dokumentationspflichtige Medikamente. Hier sei man „deutlich unterbezahlt“, sodass die Politik handeln müsse, so Becker. Auch das Thema Honorierung von Inkassoleistungen werde man weiterverfolgen.

Bei der Zytoausschreibung der AOK-Hessen werden es die Apotheker laut Becker auf einen Rechtsstreit ankommen lassen: Nullretaxationen seien inakzeptabel und widerrechtlich, weil damit Apotheken die Lieferberechtigung abgesprochen werden. Die freie Apothekenwahl sei aber ein wesentliches Fundament des Systems. Gemeinsam mit den Hessischen Apothekerverband (HAV) will der DAV jetzt ein einstweiliges Verfügungsverfahren gegen die Kasse anstrengen.

Allerdings will Becker den Kassen auch entgegenkommen, um die Anreize für Ausschreibungen zu reduzieren: Man müsse die Hilfstaxe so anpassen, dass Krankenkassen keine Vorteile in Ausschreibungen mehr sähen, so Becker. Die Kassen profitierten bereits seit 2010 von niedrigen Preisen und der Weitergabe von Einkaufsvorteilen. Jetzt sei aber Zeit, eine Neubestimmung zu finden, mit der beide Seiten leben könnten, so Becker. Nur so lasse sich schlimmeres Ungemach verhindern´.

Becker beklagte die „schwerfällige Reaktion“ der Politik auf das brisante Thema der Lieferengpässe: In Kliniken sei das Problem seit Jahren präsent; zunehmend seien nun auch Offizinapotheken betroffen. Dauerhafte Engpässe seien zwar noch selten, aber „absolut inakzeptabel“, so Becker. Und: Eine Veränderung zum Positiven sei nicht zu erkennen. „Das Thema wird von Politik und Krankenkassen nicht ernst genug genommen. Man vermeidet eine grundsätzliche Analyse von Ursache und Wirkung, und mitunter gewährleistet nur die Auswahlkreativität der Apotheker die Versorgung.“

Becker lobte den Kompromiss zum Abschlag, mit dem beide Seiten leben könnten und der den Apotheken Planungssicherheit gebe. Um Streitereien überflüssig zu machen, werde man jetzt gemeinsam auf Gesetzgeber zugehen, um eine Festschreibung des Zwangsrabatts durchzusetzen. Parallel müssten die Regelungen zur Anpassung des Honorars neu justiert werden, betonte Becker.

Mit der Entwicklung bei der Substitutionsausschlussliste ist Becker unzufrieden: Es sei unverständlich, dass der GKV-Spitzenverband eine Festlegung durch den Gemeinsamen Bundesausschluss (G-BA) bevorzuge. „Die Apotheker und ihre pharmazeutische Kompetenz dürfen in einer solch wichtigen Angelegenheit nicht außen vor gelassen werden“, so Becker.

Noch problematischer findet Becker, dass es immer noch keine Formulierungen im Rahmenvertrag zum Schutz vor unberechtigten Retaxationen und der Möglichkeit zur Heilung von Formfehlern gebe: „Wo bleibt hier das Bewusstsein für besondere Rolle der Selbstverwaltung, wenn Kassenverbände Verhandlungslösungen hintertreiben und die Kassen ihre Zwistigkeiten auf dem Rücken der Apotheken austragen?“ Nach zwei Jahren sei es an der Zeit, endlich zu einer tragfähigen Lösung für Apotheker zu kommen.

Auch die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) ins Sachen Nullretax gehe einseitig zu Lasten der Apotheken. „Dieses Urteil lässt die Tatsache einer pharmazeutisch einwandfreien Versorgung und die wirtschaftliche Lage der Apotheken außer acht.“ Dies werde man nicht hinnehmen, deshalb habe man im Dezember beschlossen, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

Angesichts immer zahlreicher Rabattverträge über Originalpräparate, eines „kaum mehr überschaubaren Erfüllungsaufwands für die Apotheken“ und geringer Einsparungen gehöre die Importförderungsklausel abgeschafft, so Becker.

Enttäuscht ist der DAV-Chef, dass die Politik beim Thema Erstattungsbetrag ihre Meinung geändert habe und nicht zu ihren ursprünglichen Aussagen stehe. „Das ist eine Gesetzesänderung, für die es keinen Anlass gab und die wir nicht nachvollziehen können.“ Für Apotheken und Großhändler bedeute dies eine „deutliche finanzielle Mehrbelastung, die sich schmerzhaft bemerkbar machen wird“. Gemeinsam mit dem Phagro fordert der DAV einen „schnellstmöglichen finanziellen Ausgleich“.

Auch beim Nacht- und Notdienstfonds müsse noch nachjustiert werden: Die Pauschale sei zwar kein Geschäftmodell für die Apotheken, sondern lediglich ein Zuschuss zur Erfüllung der Gemeinwohlverpflichtung. Das der Politik zugesagte Volumen von 120 Millionen Euro sei nicht erreicht. „Nachbesserungen sind unabdingbar, wir setzen auf die ursprünglichen Zusagen der Politik.“

Der Fonds selbst laufe stabil und ruhig, die Umsetzung durch Verbände und Kammer unter der Rechtsaufsicht des Bundesgesundheitsministeriums sei richtig. Mit dem Fonds sei gezeigt worden, dass „neue Ansätze möglich und durchsetzbar“ seien, so Becker.

Leicht positiv ist laut Becker auch der Trend im Selbstmedikationsmarkt. Diese Entwicklung müssten die Apotheken stabilisieren und weiter ausbauen: Mit guter Beratung haben man die Chance, die Apothekenpflicht zu verteidigen und sich als Heilberufler zu profilieren, mahnte Becker. „Hier ist viel ungenutztes Potenzial zu erschließen.“

Laut Becker wollen die Apotheken „aktiv gestalten“, um auch in Zukunft eine Schlüsselrolle in der Versorgung zu übernehmen. ARMIN sei ein Beispiel, doch man wolle auch Versorgungsverträge mit anderen Kassen „zum Wohle der Versicherten und des Berufsstandes“.

Becker warb auch für ein neues online-Vertragsportal, das einen vollständig elektronischen Überblick über die Verträge und Beitritte der Apotheke ermögliche. Ziel sei es, dass alle LAV-Mitgliedsapotheken Produkte vertragssicher abgeben könnten. „Die Anbindung an die Warenwirtschaft ermöglicht schon während des Patientengesprächs konkreten Aussagen zur Abgabefähigkeit.“