Auslaufmodell Apothekenhonorar Lothar Klein, 26.04.2017 16:17 Uhr
Das seit 2004 gültige Honorarsystem für die deutschen Apotheken ist in den Augen der Politik ein Auslaufmodell. Bei der Podiumsdiskussion beim 54. DAV-Wirtschaftsforum waren sich alle Teilnehmer einig, dass die an der Packungsabgabe anknüpfende Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) grundlegend renoviert werden muss. Dem stimmte selbst DAV-Chef Fritz Becker zu. Nur: In welche Richtung die Reise beim Apothekenhonorar geht, blieb offen. Es wird aber ein langer und komplizierter Prozess werden.
Für die Union erteilte deren Arzneimittelexperte Michael Hennrich (CDU) allen Wünschen nach einer Erhöhung des derzeitigen Fixhonorars von 8,35 Euro eine klare Absage: „Die Erhöhung des Fixums ist nicht der richtige Weg.“ Man müsse die Apotheken über die Bezahlung stattdessen in „ihrer Kompetenz stärken“. Den beim Nacht- und Notdienst, bei den Rezeptur- und BtM-Gebühren eingeschlagenen Weg müsse man daher weiter gehen. Ziel müsse es sein, dabei die auch die Landapotheken zu stärken und nicht aufzugeben, sagte Hennrich.
Probleme sieht Hennrich für die Apotheken aber angesichts der Fortschritte in der personalisierten Medizin. Hierbei würden die Ärzte zu „Forschern“, sagte Hennrich: „Ich mache ein großes Fragezeichen, ob dabei die Apotheker eine große Rolle spielen können.“
Sabine Dittmar, SPD-Arzneimittelexpertin, stimmte Hennrich in der Honorarfrage zu. „Wir brauchen ein differenziertes Apothekenhonorar.“ Beratungsleistungen müssten besser bezahlt werden. Außerdem schlug Dittmar Änderungen beim Botendienst vor: „Wir brauchen hier sehr viel mehr Flexibilität.“ Die Arzneimittel müssten nicht vom Apotheker selbst oder von der PTA dem „Patienten in die Hand gedrückt werden“, so Dittmar. Da könne auch ein begleitendes Telefonat ausreichen.
Auch DAV-Chef Becker stimmte der Notwendigkeit einer Überarbeitung des Apothekenhonorars zu: „Der Teufel liegt aber im Detail. Wir wollen diesen Weg mitgehen.“ Pharmazeutische Leistungen müssten besser bezahlt werden. Bei den Verhandlungen über die Hilfstaxe für die Zytoherstellung gehe man bereits in diese Richtung. Änderungen kann sich Becker auch beim Botendienst vorstellen. „Wir sind nicht die ewig Gestrigen.“ In Baden-Württemberg arbeite man beispielsweise an halbdigitalen Rezeptsammelstellen.
Für Emotionen sorgte die rückblickende Diskussion über das gescheiterte Rx-Versandverbot. „Wir können doch keiner Lösung zustimmen, die unser System ruiniert“, reagierte Becker auf Vorhaltungen der Grünen Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche, sich einem Kompromiss verweigert zu haben. Bei allen Alternativen wäre der einheitliche Arzneimittelpreis „dahin gewesen“, rechtfertigte Becker die harte ABDA-Position.
Zuvor hatte Schulz-Asche der ABDA vorgeworfen, dass die „Horrorszenarien“ über die Konsequenzen des EuGH-Urteils nicht eingetroffen seien: „Entweder war das gelogen oder man hätte einem Kompromiss zustimmen müssen“, sagte Schulz-Asche. Dies wies Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), energisch zurück. Die Folgen würden erst langsam sichtbar: „Wenn man ohne Fallschirm abspringt, fällt man auch erst mal eine Weile, ohne dass etwas passiert“, so Kiefer.
Beim Thema Rx-Versandverbot hörten die Gemeinsamkeiten auf: Für CDU-Gesundheitspolitiker Hennrich ist das Verbot nach wie vor die „einzig einigermaßen sichere Lösung“. Dieser Position schloss sich für die Fraktion Die Linke Harald Weinberg an: „In dieser Frage habe wir keine Berührungsängste mit der Union.“ Die Linke wolle die Apotheken erhalten, weil sie in der Gesundheitsversorgung eine „zentrale und wesentliche Rolle“ in den ländlichen Strukturen spielten.
Für Unruhe im Saal sorgten die Aussagen von Schulz-Asche, dass nicht der Wegfall der Preisbindung, sondern die Konkurrenz der großen Apotheken in den benachbarten Städten das Hauptproblem der Landapotheken seien. Sie habe in den vergangenen Wochen mehr als 20 Apotheken besucht und dabei festgestellt, dass das EuGH-Urteil dort nicht die Hauptsorge sei.
Für die SPD legte Dittmar nochmals die Gründe für das Nein zum Rx-Versandverbot dar: Niemand habe mit diesem Urteil gerechnet. Aber ein Verbot verstoße gegen die im Grundgesetz verankerte Berufsausübungsfreiheit. „Ein Verbot war daher nicht machbar“, so Dittmar. Außerdem habe man den Nachweis nicht führen könne, dass die Preisbindung der Sicherung der Arzneimittelversorgung diene. „Selbst ein 2 Prozentanteil des Rx-Versandhandels zerstört doch die Versorgung nicht.“
Ob es nach der Landtagswahl in NRW am 14. Mai noch einen weiteren Anlauf für eine Lösung geben wird, blieb in der Runde offen. „Die SPD ist jederzeit bereit für Gespräche darüber“, sagte Dittmar.
Weder Hennrich noch Becker gingen darauf ein. Für den CDU-Gesundheitspolitiker ist aber klar: „Ohne das Rx-Versandverbot setzen wir uns jetzt bei der Reform des Apothekenhonorars extrem unter Druck.“ Denn lange könnten die Apotheken die ungleichen Wettbewerbsbedingungen nicht folgenlos verkraften. „Das müssen wir jetzt aushalten“, so Kiefer. Es sei besser, dass die Situation jetzt so klar sei, statt faule Kompromisse eingegangen zu sein.