Darf DocMorris Informationen über die Gesundheit des Kunden an Google weitergeben? Die Bundestagsfraktion der Linken will von der Bundesregierung wissen, wie es um die Sicherheit personenbezogener Daten beim Medikamentenkauf im Internet bestellt ist. In einer kleinen Anfrage hat sie dem Kabinett 22 Fragen zukommen lassen, in denen eine klare Stoßrichtung zu erkennen ist: die Frage, ob die momentanen Datenschutzregeln die hiesigen Vor-Ort-Apotheken stärker belasten als ausländische Versender. Auch die Beratungspflicht spielt eine prominente Rolle.
„Arzneimittelabgabe am Schalter, bei Beratungsbedarf folgende Nummer anrufen:…“ Ein solches Schild in der Offizin, Apotheker und PTA irgendwo, bloß nicht im Verkaufsraum. Würde eine Präsenzapotheke damit ihrer Beratungspflicht nach §20 ApBetrO nachkommen? Versandapotheken tun dies ja – im Prinzip. So hat das Bundesgesundheitsministerium bereits 2013 „klargestellt, dass aus seiner Sicht bereits die Angabe einer Telefonnummer ausreicht, um der Beratungspflicht nachzukommen“, heißt es in der Anfrage und direkt danach: „Inwiefern sieht die Bundesregierung hier eine systematische Ungleichbehandlung?“
Mit der Anfrage will die Linke unter Federführung ihrer beiden Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch der Bundesregierung heraus kitzeln, ob sie eine Ungleichbehandlung von inländischen Präsenz- und ausländischen Versandapotheken sieht und falls ja, ob sie vor hat, daran etwas zu ändern. Im gleichen Atemzug erfragt sie auch nochmal die Haltung der Bundesregierung zu älteren Streitfragen in der Debatte um die Versender: Geht sie davon aus, „dass vor allem Menschen bei Versendern bestellen, die weniger Beratungsbedarf haben und inwiefern findet hier nach Ansicht der Bundesregierung Rosinenpickerei statt“, fragt die Fraktion.
Zwar ist die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eine europäische, doch das heißt noch lange nicht, dass die Regeln des Datenschutzes für jedermann in Europa gleich streng sind. Laut Art. 9 DSGVO können Mitgliedsstaaten diese nämlich selbstständig verschärfen, wenn die Verarbeitung von genetischen, biometrischen und Gesundheitsdaten betroffen ist. Genau das ist natürlich beim Versandhandhandel mit Arzneimitteln der Fall. Hat die Bundesregierung vor, von diesem Recht Gebrauch zu machen, will die Fraktion in Erfahrung bringen. „Inwiefern hat sie das insbesondere in Bezug auf die Datenverarbeitung in Versandapotheken vor und inwiefern hätte eine solche Regelung Bindungswirkung für ausländische Versandapotheken?“
Um zu belegen, dass es sich bei ihren Datenschutzbedenken nicht um ein herbei fabuliertes Schreckgespenst handelt, listen die Genossen bei zwei Beispielen säuberlich auf, wohin die Vebraucherdaten wandern. Wer bei DocMorris bestellt, gibt demzufolge seine Einwilligung, dass Daten an folgende Unternehmen vermittelt werden: Google, Criteo, Kairion, Adition Technologies, EProfessional, Outbrain, Active Agent, Affilinet, Microsoft, The Reach Group, Yahoo, Neory, Facebook und Adex.
Doch auch bei deutschen Versandapotheken sehe es nicht anders aus: „So werden bei einer Bestellung bei der Versandapotheke www.apotheke.de Daten unter anderem an Google AdSense, Google AdwordsConversion, Facebook Custom Audiences und Microsoft (Bing Universal Event Tracking) weitergegeben“, schreibt Die Linke. „Dabei bleibt unklar, welche Daten genau weitergegeben werden und ob etwa Rückschlüsse auf bestimmte Erkrankungen oder andere Lebensumstände möglich sind, die sich aus der Bestellung von Arzneimitteln, medizinischen Diagnostika (zum Beispiel auch Schwangerschaftstests) oder anderen Produkten ergeben.“
Das gelte insbesondere für externe Firmen aus dem nicht-europäischen Ausland – nicht nur bei der Linken sind die Bedenken in Sachen Datensicherheit noch einmal größer, sobald die USA im Spiel sind. Deshalb wolle sie wissen, ob bei einem Bestellvorgang und fehlendem ausdrücklichem Widerspruch die Weitergabe von personenbezogenen Daten an Google, Facebook und Konsorten oder inländischen Remarketing-Diensten legal ist, insbesondere von solchen, die Rückschlüsse auf bestimmte Erkrankungen oder Behinderungen, Sexualleben oder sexuelle Orientierung erlauben.
Denn die Algorithmen sind bereits schlauer, als es viele glauben oder wahrhaben wollen: Schon daraus, welche Arzneimittel wann und wo angesehen werden,auch ohne etwas zu bestellen, können Rückschlüsse auf den Nutzer gezogen werden. „Inwiefern sind IP-Adressen in Kombination mit bestimmten bestellten oder angesehenen Produkten (zum Beispiel Arzneimitteln) nach Ansicht der Bundesregierung als personenbezogene Gesundheitsdaten anzusehen?“, wird deshalb gefragt. Auch inwiefern diese Daten bereits weitergegeben werden dürfen, will Die Linke wissen.
Denn der zweitgrößten Oppositionspartei stößt besonders auf, dass Zur Rose und Shop-Apotheke mit diesen Daten Geld verdienen wollen. Ein naheliegender Gedanke wäre es doch deshalb, eine verwendungsgebundene Widerspruchslösung zu finden. Soll heißen: Ich stimme zu, dass meine Daten zu Forschungszwecken verarbeitet werden, nicht jedoch für Marketing oder zum gewinnorientierten Weiterverkauf.
Daran denkt man offenbar im Karl-Liebknecht-Haus, denn die Partei fragt, ob diese Verwendungen in der Widerspruchsmöglichkeit anzugeben sind, ob die DSGVO den Nationalstaaten dahingehend Spielraum lässt und falls ja, ob die Bundesregierung plant, davon Gebrauch zu machen. Die Anfrage liegt der Bundesregierung seit vergangenem Freitag vor und wird voraussichtlich erst in den kommenden Tagen veröffentlicht. Eine Antwort darauf wird wahrscheinlich noch einige Wochen auf sich warten lassen.
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