Konkurrenz zu Rechenzentren

Datenhub: Abda wird zur Datenkrake

, Uhr
Berlin -

Neben der Gedisa und dem Zentrallaboratorium (ZL) gibt es bei der Abda ein weiteres zweifelhaftes Großprojekt, das die Apotheken Millionen kosten könnte. Mit dem Datenhub sollen Informationen aus der Warenwirtschaft gezogen und weiterverkauft werden. Verlierer könnten ausgerechnet die standeseigenen Rechenzentren sein.

Mit Unterstützung der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers Legal (PWC) schreibt die Abda gerade die Entwicklung, Implementierung sowie Hosting und Betrieb des geplanten Datenhubs aus. Entstehen soll eine „Softwarelösung für die Sammlung und Auswertung apothekenspezifischer Daten wie Ein- und Verkaufsdaten, Abgabedaten sowie Metadaten“.

Aggregiert und aufbereitet werden sollen sowohl pharmazeutische als auch wirtschaftliche Daten von Apotheken; ein wesentlicher Zweck ist es, die Abda bei der „Erfüllung ihrer originär satzungsbedingten Aufgaben“ zu unterstützen. „Der Datenhub wird das Zentrum der Datenerhebung, -konsolidierung und -analyse für die organisierte Apothekerschaft darstellen.“

Was nicht explizit erwähnt wird: Die Daten sollen sehr wahrscheinlich auch weiterverkauft werden. Laut Branchenkennern liegt der jährliche Marktwert entsprechender Informationen aus Apotheken mit Zahlungen von Iqvia, Insight Health und anderen Marktforschungsunternehmen bei 20 Millionen Euro. Von diesem Kuchen will sich die Abda jetzt offenbar eine große Scheibe einverleiben.

Zweifel bei Apotheken

Doch die Risiken sind gewaltig. Einerseits ist vollkommen unklar, ob sich überhaupt eine größere Anzahl an Apotheken findet, die bereit sind, ihre Abverkaufsdaten mit der Standesvertretung zu teilen. Im schlimmsten Fall würde das Vorhaben daran scheitern, dass – wie schon aktuell beim Datenpanel – die Resonanz gering bleibt. Dann müssten höhere Aufwandsentschädigungen gezahlt oder die Investitionen abgeschrieben werden.

Sorgen bei Datenschützern

Zweitens ist es bei solchen Großprojekten nicht unwahrscheinlich, dass Datenschützer sich eingehend mit den Sicherheitsmechanismen beschäftigen – und dass eventuelle Fehler gleich dem gesamten Berufsstand angelastet werden. „Pillendreher als Datendealer“, titelte vor elf Jahr der „Spiegel“ und berief sich auf vermeintlich unzureichend verschlüsselte Rezeptdaten, die die Verbändetochter GFD (heute: Pharmafakt) weiterverkaufte.

Am Ende musste GFD ihre Anonymisierungsmethoden auf ein Trustcenter-Verfahren mit „Krypto-Box“ und Verschlüsselungsverfahren umstellen. Während die VSA (heute: Noventi) die Verantwortung übernehmen musste, ging das NARZ öffentlich auf Distanz und stutzte grundsätzlich die Lieferung von Rezeptdaten auf ein Minimum.

Genau solche Probleme will sich die Abda nicht ans Bein binden. Der Datenhub soll laut Ausschreibung „höchste Sicherheits- und Datenschutzstandards gewährleisten und durch moderne Anonymisierungsverfahren den Schutz sensibler Daten sicherstellen“. Und weiter heißt es in den Unterlagen: „Die besonderen Anforderungen der Abda und der Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten müssen vollumfänglich sichergestellt werden, um höchste Datenschutzstandards zu gewährleisten. Besonders die Anonymisierung soll durch verschiedene Anonymisierungsverfahren die Re-Identifizierung von Einzelwerten oder Apotheken verhindern.“

Im Bereich der Datensicherheit werde entsprechend ein umfassendes Sicherheitskonzept erwartet: „Der Datenhub und sein Betrieb müssen die Anforderungen an eine datenschutzkonforme Datenverarbeitung gemäß DSGVO und BDSG einhalten. Hierbei muss sichergestellt werden, dass die Datenverarbeitung Pseudo- und Anonymisierungstechniken verwenden, die den Anforderungen der DSGVO entsprechen. Die Datenhaltung muss innerhalb der EU oder des EUWR erfolgen, idealerweise in Deutschland.“

Konkurrenz zu Rechenzentren

Aber selbst wenn es gelingt, das Projekt sauber aufzusetzen und genügend Apotheken für die Teilnahme zu finden, droht der Apothekerschaft an anderer Front erst recht Ungemach. Denn die Daten, die die Abda erheben will, gibt es längst zum weit überwiegenden Teil bei den Rechenzentren – und diese finanzieren mit dem Verkauf einen wesentlichen Teil ihres Geschäftsbetriebs. Wenn die Abda ihnen an dieser Stelle künftig Konkurrenz macht, könnten das über kurz oder lang entweder die Kunden oder Verbände als Eigentümer zu spüren bekommen.

Wie erbittert der Kampf um die Daten geführt wird, zeigt das Beispiel Pharmafakt. An dem Unternehmen sind neben den Verbänden aus Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen auch die Noventi und das ARZ Haan beteiligt. Um finanzielle Löcher zu stopfen, soll der frühere Vorstand von Noventi vor ein paar Jahren beschlossen haben, keine Daten mehr zu liefern. In der Folge brachen die Gewinne bei Pharmafakt von 1,6 Millionen Euro im Jahr 2021 ein auf zuletzt nur noch 400.000 Euro. Die Barmittel schrumpften im gleichen Zeitraum von 1,8 Millionen auf 600.000 Euro.

Millionen investiert

Umso erstaunlicher sind die hohen Beträge, die die Abda trotz der Risiken investiert. Seit zwei Jahren wird bereits am Aufbau des Datenhubs gearbeitet; das Projekt wurde in verschiedenen Phasen aufgesetzt und kostet einen Millionenbetrag: Alleine für 2023 waren knapp 600.000 Euro eingestellt, für das laufende Jahr waren sogar 1,1 Millionen Euro veranschlagt. Bislang hatte man mit Comline zusammengearbeitet, einer Tochter der Retaxfirma Davaso, die ihrerseits von Iqvia übernommen wurde. Projektphase III ist jetzt mit insgesamt knapp 1,2 Millionen Euro budgetiert, während die jährlichen Betriebskosten mit knapp 500.000 Euro beziffert werden.

Guter Journalismus ist unbezahlbar.
Jetzt bei APOTHEKE ADHOC plus anmelden, für 0 Euro.
Melden Sie sich kostenfrei an und
lesen Sie weiter.
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch
Mehr zum Thema
Kommentar
Die Quittung
Mehr aus Ressort
Debatte im Bundestag am Montag
Scholz beantragt Vertrauensfrage
Entbürokratisierung
FDP: Wahlkampf mit Gesundheit