Kammern: Rx in Ausnahmen ohne Rezept Alexander Müller, 09.08.2013 12:25 Uhr
Aus Sicht der Apothekerkammern Berlin und Westfalen-Lippe sollten Apotheker im Einzelfall verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rezept abgeben dürfen. Laut verschiedenen Anträgen der Kammern zum Deutschen Apothekertag (DAT) soll der Gesetzgeber die rechtlichen Möglichkeiten hierzu schaffen.
In der Begründung zum Antrag beeilt sich die Berliner Kammer mit der Feststellung, die „Rx-Versorgung im Einzelfall“ solle nicht den Arzt ersetzen. Es gehe vor allem um temporär auftretende Versorgungslücken. „Wir wollen den Ärzten nichts wegnehmen, sondern die Versorgung sicherstellen, wenn der Arzt nicht da ist“, sagt die Delegierte Dr. Kerstin Kemmritz, deren Liste hinter dem Antrag steht.
Sie hat die aktuelle Debatte um die „Pille danach“ zum Anlass genommen, das Thema erneut vorzubringen. „Wir wollen so zum Beispiel den Zugang zu Notfallkontrazeptiva erleichtern, ohne die 'Pille danach' als OTC in Sonderangeboten zu verramschen“, so Kemmritz. Mit der grundsätzlichen Verschreibungspflicht bleibe der Preis stabil, das Werbeverbot bestehen und eine fachkundige Beratung garantiert, argumentiert die Kammer.
Die Kammer Westfalen-Lippe (AKWL) würde sogar noch einen Schritt weiter gehen: In einem gesonderten Antrag fordert sie, den PiDaNa-Wirkstoff Levonorgestrel komplett aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Aufgrund der kurzen Wirksamkeit sei ein schneller Zugang zu den Medikamenten für betroffene Frauen wichtig, heißt es zur Begründung. Erfahrungen in anderen Ländern zeigten, dass eine Rezeptfreiheit zu keinem Anstieg von riskantem Verhütungsverhalten führe, so die AKWL.
In einem gemeinsamen Antrag weisen die Kammern darauf hin, dass Patienten mit Dauermedikation häufig auch ohne Rezept ihre gewohnten Medikamente verlangten. Bedarf sehen Kemmritz und ihre Mitstreiter daher auch für Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen werden, während ihr Hausarzt nicht erreichbar ist. „Eine dauerhafte Folgemedikation ist hier nicht das Ziel, sondern das Schließen von temporären Versorgungslücken in besonderen Situationen“, stellt sie klar. So könnten Apotheken auch im Einzelfall einspringen, wenn der Arzt krank, im Urlaub oder zur Fortbildung ist. Dafür brauchen sie jedoch eine rechtssichere Basis.
Kemmritz ist sich bewusst, dass das Thema bei Ärzten nicht auf Gegenliebe stoßen wird, wenn es zu pauschal betrachtet wird. „Es geht hier nicht um ein 'Apotheker-Rezept' allgemein, sondern um die Sicherstellung einer bestmöglichen und lückenlosen Patientenversorgung durch qualifizierte Heilberufler.“
Die Berliner Kammer bringt diesen Vorschlag nicht zum ersten Mal ein: Schon 2008 und 2012 wurde im Zusammenhang mit dem Entlassmanagement über vergleichbare Anträge abgestimmt. „Bislang ist nicht viel passiert, aber die Diskussion geht in die richtige Richtung“, so Kemmritz.
Die rechtlichen Grenzen der Abgabe müssten noch abgesteckt werden. Zu klären sei, in welchen Situationen und unter welchen Bedingungen die Apotheken Rx-Arzneimittel ohne Verordnung abgeben dürfen und welche Arzneimittel überhaupt in welcher Stärke und Packungsgröße befreit werden könnten.