Die Erwartungen an das E-Rezept sind hoch: Die Versandapotheken versprechen sich explodierende Umsätze, die Kollegen vor Ort wenigstens weniger Retaxationen. Daniel Cardinal von der Techniker Krankenkasse (TK) glaubt gar an Wunder: „Das Thema Lieferengpässe ist mit dem E-Rezept keines mehr“, sagte er beim BMC-Kongress in Berlin. Bei der Zur Rose-Tochter eHealthTec weiß man dagegen schon, wie man die Ärzte glücklich macht: 250 Rezeptsignaturen auf einen Klick.
Unter dem Motto „Digitales Gesundheitswesen: das E-Rezept ist da“ waren Cardinal und Tobias Leipold (eHealthTec) zusammen mit Andrea Galle (BKK VBU), Julia Hagen (Health Innovation Hub) und Hannes Neumann (Gematik) auf der Bühne. Ergänzt wurde die Diskussionsrunde später von Professor Dr. Heinrich Worth, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Atemwegsliga. Dieses Symposium beim Kongress des Bundesverbands Managed Care (BMC) wurde gesponsert von Zur Rose und DocMorris.
Cardinal ist bei der TK Geschäftsbereichsleiter Versorgungsinnovation. Er ist überzeugt, dass die Plattformökonomie auch die Zukunft der deutschen GKV ist. Wettbewerb unter E-Rezept-Apps findet er dabei gut, weshalb er sich für eine diskriminierungsfreie Einbindung aller Apps einsetzte. Und er geht wie gesagt davon aus, dass es keine Lieferengpässe bei Arzneimitteln mehr gibt, wenn diese digital verordnet werden. Sein Argument: Der Patient könne über seine App ja online in fünf verschiedenen Apotheken nachfragen, ob das benötigte Medikament vorrätig ist. So groß sei der Lieferengpass in Deutschland ja glücklicherweise nicht.
Bei einer digitalen Übermittlung haben die Patienten laut Neumann, Programmleiter bei der Gematik, jedenfalls den großen Vorteil, die Apotheke nicht zweimal aufsuchen zu müssen. Die Teams in der Offizin könnten sich entsprechend auch besser vorbereiten – und hätten später mehr Zeit für Zusatzverkäufe. Und nicht zuletzt würden die Apotheken von einer deutlich geringeren Fehleranfälligkeit beim E-Rezept profitieren, Retaxationen ließen sich so vermeiden.
Die App sei dabei eine Option für das E-Rezept, aber keine Pflicht. „Man muss das im Zweifel noch ausdrucken können, gegebenenfalls auch in der Arztpraxis“, so Neumann. Einfache und flexible Lösungen seien in der Praxis gefragt: Medikamente für den Nachbarn abzuholen, das müsse und werde auch in Zukunft möglich sein. Richtig Rückenwind hat das Thema E-Rezept dem Gematik-Manager zufolge bekommen, als die ausschließliche Fernbehandlung ermöglicht wurde. Jetzt sind mit dem GSAV und dem DVG die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Teil definiert und der Zeitplan läuft. Nach absolvierten Feldtests könnten die Apotheken sich im zweiten oder dritten Quartal anschließen. Die Warenwirtschaftshäuser der Branche seien jedenfalls sehr aktiv.
Leipold hat mit seiner Firma für Zur Rose und das Hamburger Pilotprojekt zum E-Rezept die Technik geliefert. Bereits im April 2019 habe man darauf angestoßen, dass ein von deinem deutschen Arzt ausgestelltes E-Rezept in einer deutschen Apotheke eingelöst und mit der Krankenkasse abgerechnet worden sei. Projektpartner TK verzichte dabei sogar vollständig auf eine Papierversion des Rezepts. Das Modell kann theoretisch jederzeit ausgerollt werden.
Leipold präsentierte beim BMC-Kongress, in welchen Schritten die Übertragung jeweils läuft. Aus der App kann das E-Rezept direkt an Projektpartner DocMorris übermittelt, aber auch in jeder anderen Apotheke eingelöst werden. Den Ärzten war Leipold zufolge eine Sache sehr wichtig: die Stapelverarbeitung der digitalen Signatur. Dieser Wunsch wurde erfüllt: Bis zu 250 Rezepte kann der Arzt mit einem Klick mit seiner Unterschrift versehen – gerade bei Folgeverordnungen sehr praktisch.
Auch Hagen bezeichnete das E-Rezept als „Killer-App“, um die digitale Patientenakte nach vorne zu bringen. „Denn Rezepte braucht jeder.“ Das von Minister Jens Spahn (CDU) liebevoll als „Trüffelschweine“ bezeichnete Team des Health Innovation Hub darf noch bis Ende 2021 nach neuen Entwicklungen im Gesundheitsmarkt spüren.
Das kann Galle nur bestätigen. Die jährlich rund 470 Millionen von aktuell noch gedruckten Rezepte reichten aneinandergelegt aus, die Erde 1,7 Mal am Äquator zu umrunden. Die Umstellung auf digitale Prozesse müsse auch bei den Krankenkassen vollzogen werden. Die BKK VBU will in diesem Jahr die Buchstabentrennung bei der Organisation der Versicherten abschaffen. Für die Mitarbeiter der Kasse ein großer Schritt: „Da fallen Menschen in Sinnkrisen, denn die Buchstabenaufteilung steht für Gerechtigkeit“, berichtet Galle.
Die Einführung des E-Rezepts sei die Basis: „Wir werden Vieles hinterfragen, wenn wir diesen Sprung geschafft haben“, kündigte sie an. Als Beispiel nannte sie die Quartalsabrechnung, die bei Datenflüssen in Echtzeit keinen Sinn mehr ergebe. Auch das E-Rezept solle nicht in der Apotheke enden. Es gehe um „digitale Services nach dem Counter“.
In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde Worth dazu geholt. Der Vize der Deutschen Atemwegsliga brachte noch das Thema Datensicherheit ins Spiel. In Fürth habe er erlebt, was passiert, wenn das Datensystem einer Klinik gehackt wird: „Da passiert dann zwei Tage gar nichts.“ Und nicht zuletzt müssten bei der Umstellung auf das E-Rezept die Kosten im Blick behalten werden. Teurer dürfe es nicht werden.
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