Das Siechtum der ABDA-Herzinsuffizienzstudie Lothar Klein, 07.08.2018 13:03 Uhr
Seit nunmehr acht Jahren läuft die Herzinsuffizienzstudie (PHARM-CHF) der ABDA. Es sollte ein wissenschaftliches Vorzeigeprojekt werden. Inzwischen wurde die groß angelegte Studie geschrumpft. Die ABDA verweigert nunmehr jede Aussage, wann Ergebnisse der vom Abteilungsleiter Pharmazie, Professor Dr. Martin Schulz, geleiteten Studie vorliegen werden. Die Studie kostet Millionen Euro ABDA-Gelder. Aber bislang ist die PHARM-CHF-Studie vor allem zu einem gut: Im ABDA-Haushalt dient sie als Begründung für die Aufstockung des Personals.
Die sogenannte Pharm-CHF-Studie (Pharmacy-based interdisciplinary Program for Patients with Chronic Heart Failure) läuft seit Oktober 2012. Untersucht werden soll, ob bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz durch eine intensivere Betreuung über einen Zeitraum von 12 bis 30 Monaten die Compliance verbessert und Mortalität und Morbidität gesenkt werden können. Im Saarland sowie in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Bayern sollten sich jeweils 300 Apotheken und ebenso viele Arztpraxen beteiligen. Für die Apotheken war eine Aufwandsentschädigung von 100 Euro zum Start und 50 Euro je Quartal und Patient vorgesehen. Die Ärzte sollten etwa 300 Euro für die Gesamtstudiendauer erhalten.
„Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Ihnen – wie bei randomisierten Studien üblich – keine Vorabinformationen zu den Ergebnissen zukommen lassen können. Gleichwohl möchten wir Ihnen ein aktuelles Editorial im renommierten European Journal of Heart Failure zur Kenntnis geben, das die PHARM-CHF-Studie ausführlich bespricht“, antwortet ein ABDA-Sprecher auf Anfrage. Auch Mitgliedsorganisationen erteilt die ABDA keine Auskunft. Die Zusammenstellung eines Zwischenberichts wurde ebenfalls ablehnt. Daher gibt es jetzt Überlegungen, die ABDA-Führung beim kommenden Deutschen Apothekertag (DAT) Anfang Oktober in München zur Rede zu stellen.
Drei Jahre nach ihrem Start im Jahr 2012 wurde die Herzinsuffizienzstudie jedenfalls auf deutlich geschrumpftes Niveau zurecht gestutzt. Statt der ursprünglich anvisierten Gesamtteilnehmerzahl von 2060 Patienten, hieß das Ziel nur noch 250+. Ob diese Teilnehmerzahl inzwischen erreicht wurde, ist nicht bekannt. Fachleute bezweifeln angesichts dieser Zahlen jedoch bereits den wissenschaftlich aussagekräftigen Gehalt der Untersuchung.
Eigentlich sollte die Studie längst fertig und ins Licht der Öffentlichkeit gerückt worden sein. Schon 2015 wurde die Pharm-CHF um eineinhalb Jahre bis Ende 2016 verlängert. Im Jahr 2017 sollten die Ergebnisse veröffentlicht werden. Daraus wurde wieder nichts. Jetzt rechnet die ABDA frühestens 2019 mit vorzeigbarem Material: Die „Tätigkeiten für PHARM-CHF werden bis Anfang 2019 einen erheblichen Teil der Arbeit der (1,5 VZ-)Referenten und der Abteilungsleitung ausmachen“, heißt es im ABDA-Haushalt für 2019. Und im Haushalt 2016 wurde bereits mit der „vollständigen Auslastung“ der Mitarbeiter dieser Abteilung die Forderung nach einer neuen befristeten Stelle begründet.
Auch die Zahl der an der Pharm-CHF teilnehmenden Apotheker und Ärzte blieb weit hinter den hochgesteckten Erwartungen zurück. Statt 300 Apotheken und Arztpraxen wurden vor drei Jahren die damals 184 Patienten nur von 40 Apotheken und 30 Arztpraxen bereut. Die ABDA räumte ein, dass die „ursprüngliche Zielstellung“ inhaltlich angepasst werden musste, das berufspolitische Ziel aber unverändert bleibe. Die ABDA-Mitgliederversammlung beschloss 2014, die „Pharm-CHF-Studie mit verändertem Studiendesign zu Ende zu führen“.
Ursprünglich wollte die ABDA mit der Herzinsuffizienzstudie ihr wissenschaftliches Prestige aufpolieren. Ende 2012 bezeichnete ABDA-Präsident Friedemann Schmidt in einem Interview mit der Pharmazeutischen Zeitung die Studie neben dem ABDA-KBV-Modell als qualitativ sehr hoch stehendes Projekt, mit dem anhand von klinischen Endpunkten bestätigt werden solle, dass Apotheker in der Lage sind, die Versorgung von Patienten zu verbessern. „Das ist sehr wichtig für uns, denn in einer Welt knapper Ressourcen muss man seine Ansprüche gut begründen können“, so Schmidt. Aber offenbar ahnte der damals neu gewählte ABDA-Präsident schon, dass die Studie Probleme bereiten könnte: „Dennoch wäre es falsch, die beiden Projekte als schicksalhaft für die Apotheker zu bezeichnen. Ich glaube an den Erfolg, würde mich aber auch von Misserfolgen nicht vom Kurs abbringen lassen.“
3,25 Millionen Euro waren seinerzeit veranschlagt und bewilligt worden: 1,8 Millionen Euro sollte die ABDA selbst aufbringen, 500.000 Euro sollten von der Apothekerstiftung Westfalen-Lippe, jeweils 400.000 Euro von der Apotheker-Stiftung Nordrhein sowie der Lesmüller-Stiftung aus Bayern kommen. 150.000 Euro waren seitens der Förderinitiative Pharmazeutische Betreuung (FI) vorgesehen. Dann beschloss die ABDA-Mitgliederversammlung 2014 das Projekt trotz aller Probleme zum Abschluss zu bringen – mit einem reduzierten Budget von 2,4 bis 2,6 Millionen Euro. Die für die ABDA vorgesehenen 1,8 Millionen Euro sollen dabei verbraucht werden, der Betrag der Stiftungen wird auf 600.000 bis 800.000 Euro reduziert. Anders ausgedrückt: Sollte die Studie ursprünglich knapp 1600 Euro je Patient kosten, fallen nun zwischen 6800 und 8700 Euro an.
Die Studie war von Anfang an umstritten: Bei einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC gaben 2012 47 Prozent der Teilnehmer an, das Projekt koste lediglich Geld und bringe nichts. Weitere 9 Prozent befürchteten, dass die Ergebnisse den Apothekern schaden könnten. 42 Prozent der 237 Teilnehmer fanden, dass die Studie eine gute Idee sei: Sie stärke die Apotheker als Heilberufler.