Das neue Selbstbewusstsein der Softwarehäuser Alexander Müller, 21.10.2019 10:04 Uhr
Früher ging das meist so: Die ABDA hat mit den Kostenträgern einen neuen Vertrag ausgehandelt, dann wurden die Softwarehäuser mehr oder weniger beauftragt, die Änderungen in die EDV zu übersetzen. Die Verhältnisse haben sich geändert. Die Softwarehäuser sind selbstbewusster geworden – und das ist gut für die Apotheker.
Die Umstellung auf Securpharm im Februar vergangenen Jahres wäre fast gescheitert, weil für die Einführung einer Bestandwarendifferenzierung eine technische Schnittstelle geschaffen werden musste. Dass der Start – einigermaßen – reibungslos verlief, verbucht der Bundesverband Deutscher Apothekensoftwarehäuser (ADAS) auch als eigenen Erfolg. Denn gemeinsam habe man Spielregeln definiert, damit alle Systeme gleich reagieren, erklärt der neue ADAS-Vorsitzende Gerhard Haas. „Wir haben den Beweis angetreten, dass es sinnhaftig ist, wenn man mit uns frühzeitig spricht.“
Und mit diesem „man“ ist eben nicht nur die Avoxa-Tochter NGDA gemeint, die apothekerseitig für den neuen Fälschungsschutz zuständig ist, sondern auch die Securpharm-Verantwortlichen selbst. So konnten die Anbieter bei der Entwicklung der Spezifikationen mitwirken. Dasselbe gilt etwa für die Umstellung auf die MSV3-Schnittstelle mit dem Großhandel oder die WWKS2-Schnittstelle bei den Kommissionierautomaten. Beim Medikationsplan hätten die EDV-Häuser dagegen die bei Einführung schon veraltete Zwischenlösung mit ausgedrucktem 2D-Code lieber übersprungen.
Das aktuelle Großprojekt ist natürlich die bevorstehende Einführung des E-Rezepts und der Telematikinfrastruktur (TI) in den Apotheken. Wie bei Securpharm liegt hier die große Herausforderung, dass die Systeme in allen Apotheken um eine zentrale Komponente erweitert werden – und das zeitgleich. Umso wichtiger ist eine gute Abstimmung im Vorfeld. Und so bei großen Themen suchen die Softwarehäuser den direkten Weg: Man stehe in direktem Kontakt zum Bundesgesundheitsministerium (BMG) und der Gematik, heißt es beim ADAS selbstbewusst. Die „Unterstützung der ABDA“ steht in der eigenen Aufgabenbeschreibung im Prozess erst dahinter.
Dass das kein Zufall bei der Präsentation der laufenden Projekte war, verdeutlichen die Aussagen zur DAV-App: „Da gibt es noch Diskussionsbedarf, da gehen wir als ADAS nicht bei allem mit“, so Haas. Gemeint ist der Anspruch der ABDA, die eigene E-Rezept-Lösung exklusiv im Markt zu etablieren. Man stimme sich mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) ab, entwickele aber auch eine „eigene Einschätzung und Positionierung“, heißt es vom ADAS.
Haas deutet einen schwelenden Konflikt an: „Wir versuchen, auch hier im Dialog zu blieben.“ Um wenig später noch deutlicher zu werden: „Wir bleiben zwar im Dialog mit dem DAV, aber wir haben alle unsere eigenen Angebote.“ Und schließlich: „Das ist unser Terrain, unsere Aufgabe.“
Man ist weit davon entfernt, mit dem DAV zerstritten zu sein, schließlich läuft die Zusammenarbeit bei Pilotprojekten wie Gerda sehr gut. Aber die Kraftverhältnisse zwischen den Beteiligten haben sich merklich verschoben. Der ADAS beansprucht offen für sich, die Interessen der Apotheken nicht nur gegenüber der Standesvertretung zu vertreten, sondern auch gegenüber den Industriepartnern und der Politik. Interessanterweise hat auf sich auf Seiten der Rechenzentren mit dem VDARZ parallel nun ebenfalls ein eigener Interessenverband gegründet, der mit einer Stimme gegenüber ABDA und Politik sprechen möchte – allerdings durch die Abstinenz des Branchenprimus VSA (Noventi) nicht so ganz so geschlossen auftritt wie der ADAS.
Der Verband der Softwarehäuser ist dagegen eine seit Jahren eingespielte Truppe. Das zeigt der entspannte Wechsel an der Spitze, der am 11. September vollzogen wurde. Haas hat den Vorsitz von Lars Polap (Pharmatechnik) übernommen, der sechs Jahre an der Spitze war, aber im Vorstand bleibt. Stephan Haux sitzt ebenfalls im Vorstand, jetzt allerdings für Noventi und nicht mehr für CGM Lauer. Dafür ist Sven Bertram (Noventi) nicht mehr im Vorstanf. Dieser wird vervollständigt von Hauke Stirler (Prisma). Im Verband vertreten sind ADG, ADV, Awinta, Cida, CGM Lauer, Optipharm, Pharmatechnik und Prisma.
Die kommenden Monate werden spannend bleiben für die Softwarehäuser: Die Beratung der Gematik hinsichtlich Konzeption und Spezifikation der TI steht auf der Tagesordnung. Die ADAS ist Mitglied des Gematik-Beirats. Der Verband hat unter anderem selbst ein Gutachten zu rechtlichen Fragestellungen beauftragt und begleitet die Einführung der Basis-TI.
Das mit dem Gutachten hatte sich schon bei der Kassensicherungsverordnung (KassenSichV) gelohnt. Hier hat sich der ADAS nicht nur mit dem BMG, sondern auch mit dem Bundesfinanzministerium (BMF) über die hohen technischen Anforderungen abgestimmt. Eigentlich sollten schon zum Jahreswechsel alle Kassen die neuen Sicherheitsvorgaben vorweisen. Das wäre aber geradezu unmöglich gewesen, heißt es der ADAS, da die Komponenten vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziert werden müssen. Der Stichtag wurde auf den 30. September verschoben – „und auch dieser Termin ist sehr sportlich“, so Haas.
Über zu wenig Arbeit können sich die Softwarehäuser ohnehin nicht beklagen. Es gebe zunehmend zeitgleiche Projekte wie aktuell das E-Rezept, die Kassensicherung, Securpharm und die ABDATA-Neuerungen. Erschwerend kämen „unzureichende regulatorische Vorgaben“ dazu, die etwa die Umsetzung der Abgabevorschriften bei den Rabattverträgen beträfen. Und vor allem die unrealistischen Zeitvorgaben beklagt man beim ADAS, die TI-Einführung ist hier der schmerzlichste Aspekt. Da gleichzeitig bei vielen Projekten der Anspruch auf Interoperabilität steige, sei eine gute Kooperation notwendiger denn je, zwischen den Softwarehäusern, aber eben auch mit den politischen Verantwortlichen.