Kommentar

Das Lauterbach-Paradox

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Berlin -

Lauterbach ist beides – der Überraschungskandidat in Olaf Scholz‘ Kabinett und die einzig logische Lösung. Überraschend, weil er als Einzelkämpfer und schwer integrierbar gilt. Zwangsläufig, weil Lauterbach eben seit Beginn der Pandemie das Gesicht der SPD war, der viel gefragte Experte, der Schattengesundheitsminister, der öfter recht hatte als der eigentliche Amtsinhaber. Der designierte Kanzler Scholz wusste, dass jede andere Personalie unglaubwürdig gewesen wäre. Deshalb geht er das Risiko zu Recht ein, kommentiert Alexander Müller.

Bei der Vorstellung sagt Scholz, Deutschland habe ein „ordentliches“ Gesundheitssystem, wie wichtig es aber wäre, dass wir in der Pandemie ein noch ein besseres hätten. Und diese Aufgabe überträgt er nun Karl Lauterbach, auch weil die meisten Bürger:innen ihn sich gewünscht hatten, wie Scholz ohne Umschweife zugibt. Der Kandidat der Herzen ist es geworden.

Viele in der SPD, so erzählt man sich, haben Bedenken, dass sich einer wie Lauterbach in eine Kabinettsdisziplin einbinden lässt. Zweifel gibt es auch, ob er „ein Haus führen“ kann, wie die Ressortleitung gern umschrieben wird. Beides wird er – nun endlich am Ziel – beweisen müssen. Diese Chance hat er sich verdient.

Lauterbach hat sich unermüdlich in das Thema Corona hineingefressen, sein Twitter-Kanal informiert über die neuesten Studien und er ist als ständiger Gast in Talkshows viel gefragt. Auch seine Kritiker:innen können nicht verhehlen, dass Lauterbach meist richtig lag mit seinen Einschätzungen und Vorhersagen. An seiner fachlichen Eignung werden selten bis nie Zweifel geäußert.

Und es spricht viel dafür, dass Lauterbach auch der Kabinettsdisziplin gerecht werden wird. Er ist ein erfahrener Politiker, er kennt die Abläufe. Und: Er ist in den vergangenen Jahren „reifer“ geworden, so merkwürdig diese Formulierung bei einem Herrn seines Alters sich auch anschickt. Die Selbstdarstellung, zu der er fraglos neigt, ist sachlicher, fundierter geworden. Der Mann, der die Fliege abgelegt hat.

Lauterbach wäre schon 2013 gerne Minister geworden in der Großen Koalition. Er hätte den Job sogar ohne Gehalt gemacht, wie er verkündete. Zweimal ging das Ressort seitdem an die CDU. Diesmal wollte das BMG keiner der Ampelkoalitionäre haben, die SPD griff am Ende zu, weil jede Corona-Panne sowieso auch auf Scholz als Kanzler zurückfallen würde. Also braucht er jemandem, dem er vertraut auf dem Posten.

Jetzt bekommt Lauterbach also seine Chance. Er verspricht bei seiner Vorstellung, dass es keine Leistungskürzungen geben wird. Und er verspricht, das „System robuster machen.“ Und dann ist er zum ersten Mal Staatsmann. Was sagt Lauterbach zur Pandemie: „Wir werden das aber schaffen.“ Geradezu ein Merkel-Zitat. Sein Versprechen: „Wir werden den Kampf gegen die Pandemie gewinnen.“

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