„Das ist nicht annähernd Mindestlohnniveau“ Lilith Teusch, 02.05.2024 13:42 Uhr
Mit fast 65 Jahren habe sie vor wenigen Monaten zum ersten Mal in ihrem Leben demonstriert, berichtet die Apothekerin Angela Meier. Denn sie sorge sich um die Versorgung ihrer Patienten – und um ihren Beruf. Kurzerhand lud sie ihren ehemaligen Mitschüler, den SPD-Co-Vorsitzenden in NRW und Bundestagsabgeordneten Achim Post, in ihre Kuhlenkamp-Apotheke ein.
Zusammen mit Meier informierte Manuela Schier, Vorsitzende der Bezirksgruppe Minden-Lübbecke im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL), den Politiker über die angespannte wirtschaftliche Lage der Apotheken. Viele Leistungen würden sich kaum mehr rechnen, unter anderem die Rezeptur. Bis zu einer Stunde dauere die Herstellung mitunter, mindestens die Hälfte dieser Zeit gehe für die Dokumentation drauf, so Schier. Der Lohn dafür seien gerade einmal rund 6 Euro. „Das ist nicht annähernd Mindestlohnniveau“, so die Apothekerin.
Rabatte und Skonti
Ebenso wenig sei die Rx-Abgabe auskömmlich, fuhr sie fort, denn die Vergütung ist seit 20 Jahren nicht verbessert worden – trotz explodierender Kosten. „10 Prozent der Apotheken machen ein Defizit, ein Drittel ist wirtschaftlich gefährdet“, so Schier. Mittlerweile würden die Apotheken pro verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung, die sie an gesetzlich Versicherte abgeben, sogar 46 Cent draufzahlen. Möglich sei dies nur durch Quersubventionierungen aus anderen Bereichen und mit Hilfe der Rabatte und Skonti. Doch auch Skonti sind jüngst eingeschränkt worden.
Apothekensterben
In Minden-Lübbecke sei die Apothekenzahl in den vergangenen zehn Jahren um 13 Prozent geschrumpft. Falls das Bundesgesundheitsminiser Karl Lauterbach (SPD) seine Apothekenstrukturreform mit einer Honorarumverteilung umsetze, würde sich Situation künftig noch verschärfen, so Schier. Die Rechnung würde laut eines aktuellen Gutachtens aber nicht aufgehen: Die kleinen Apotheken würden nur in geringem Maße entlastet und den großen drohten hohe Einbußen. Spezialleistungen und auch die Versorgung mit Hochpreisern würden massiv erschwert. Die Versorgungssituation der Patienten würde sich verschlechtern, so Schier. „Zudem will der Bundesgesundheitsminister Apotheken ohne Apotheker schaffen, angeblich um die ländliche Versorgung Schwerkranker zu sichern.“ Damit würden Leistungen wie Impfungen und individuelle Rezepturen schlicht wegfallen.
Investition in Apotheken
„In den letzten Jahren mussten viele Apotheken schließen, insbesondere im ländlichen Raum. Diesen Trend müssen wir stoppen und Apotheken vor Ort stärken, denn sie sind für eine flächendeckende Arzneimittelversorgung von zentraler Bedeutung“, räumte Prost. Er wies vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen aber auch auf die angespannte Haushaltslage hin. Er betonte gleichzeitig die Dringlichkeit wichtiger Zukunftsinvestitionen in Bildung, Infrastruktur und auch die Gesundheitsversorgung. „Daher setze ich mich für einen größeren finanziellen Spielraum zugunsten dieser notwendigen Investitionen ein. Das würde auch den Apotheken helfen“, so der Politiker.
Die beiden Apothekerinnen fanden deutliche Worte: „Wenn es keine Apotheken vor Ort mehr gibt, wird dies für das Gesundheitssystem und die Gesellschaft noch viel teurer sein.“