Das Establishment gewinnt immer Patrick Hollstein, 15.01.2025 14:50 Uhr
Die Bank gewinnt immer, lautet eine Spieler-Weisheit. Im Bereich der apothekerlichen Standesvertretung könnte man den Spruch umformulieren: Das Establishment gewinnt immer. In Hessen zeigt sich gerade, wie durch Postengeschacher ein echter Neuanfang verhindert wird. Die Wahlen zum Kammervorstand sind auch ein Vorgeschmack auf die morgige Abstimmung bei der Abda.
Aus dem Stand war Liste 7 in Hessen die stärkste Kraft geworden. Mit dem Versprechen eines Umbruchs hatten Dr. Schamim Eckert und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter knapp 30 Prozent der Stimmen geholt. Überall im Land hatte es massive Unzufriedenheit mit der eigenen Standesvertretung gegeben, wie die weiteren 14 Prozent zeigen, die an Liste 6 („Offizinapotheker“) gingen.
Obwohl also knapp die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen in Hessen ausdrücklich den versprochenen Neuanfang wollte, ist es den anderen Listen gelungen, genau diesen zu verhindern.
Eine aktive Rolle spielt dabei Liste 4, deren Mitglieder überwiegend im Umfeld von wirtschaftenden Töchtern des Abda-Apparats wie ZL oder Avoxa angesiedelt sind. Auch wenn die sogenannte Professorenliste („Starke Stimme für die Pharmazie“) nur noch zwei statt der bisher vier Sitze in der Delegiertenversammlung hat, stellt sie mit Dr. Christian Ude nun den neuen Kammerpräsidenten.
Vor allem aber kann die Gruppe um Listenführerin Professor Dr. Mona Abdel-Tawab (ZL) für sich in Anspruch nehmen, gemeinsam mit Liste 5 („Apotheker in Industrie und Krankenhaus“) den Umbruch verhindert zu haben. Letztere wird trotz des Verlusts von fünf auf vier Sitze in der Delegiertenversammlung abermals mit dem Vizeposten bedacht. Liste 1 taucht vorübergehend ohne Spitzenmandat in den Hintergrund ab.
Natürlich muss man akzeptieren, dass es in der Delegiertenversammlung auch Vorbehalte gegen Liste 7 gegeben hat. Und womöglich muss man Ude abnehmen, dass auch er eine Erneuerung der Kammer anstrebt. Aber Eckert als eigentliche Wahlsiegerin einfach durchzureichen oder bestenfalls zur Vize von Gnaden zu machen, ist eine offene Missachtung des Votums der Mitglieder. Damit dürfte sich die Verdrossenheit vieler Apothekerinnen und Apotheker beim Thema Standespolitik weiter erhöhen. Wenn es schon in Hessen nicht klappt mit dem Umbruch, wie soll es dann anderswo gehen?
Man kann es Eckert und ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern gar nicht hoch genug anrechnen, dass sie trotz des abgekarteten Spiels nicht einfach hinwerfen, sondern am Ball bleiben wollen. Ihnen geht es offensichtlich gerade nicht um Macht und Ämter, sondern tatsächlich um einen Neuanfang.
Den aber kann nicht nur die Kammer in Hessen brauchen, sondern auch die Abda. Hier treten nach dem Debakel im ersten Wahlgang nun doch noch einmal die bisherige Amtsinhaberin Gabriele Regina Overwienig und ihr Vize Mathias Arnold an. Als Kompromisskandidat wird Thomas Preis ins Rennen geschickt, hier im Tandem mit Dr. Ina Lucas.
Aber Fakt ist auf Bundesebene wie in Hessen: Die Apothekerschaft braucht keine Kompromisse mehr im Geschacher der Posten. Sondern echte Veränderungen und tatsächliche Erfolge. Alles andere ist reine Selbstbefassung – und leider geht es hier nicht um Glücksspiel wie im Casino, sondern um die Zukunft vieler Inhaberinnen und Inhaber.