Online-Magazin „Pioneer“ feiert Apothekenreform

„Das Ende des Apotheken-Monopols“

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Berlin -

Das Nachrichtenmagazin „The Pioneer“ hat sich auf die Fahnen geschrieben, unabhängigen und demokratischen Journalismus betreiben zu wollen. Mit einem Bericht am Wochenende fallen zwei Autoren jedoch über „die Pharmazeuten-Lobby“ her, die gerade ihren Widerstand gegen Karl Lauterbachs (SPD) Apothekenreform erhöhe. Auch die Unterstützung aus der „marktwirtschaftlich-orientierten FDP“ ist hier ein Thema. Das Fazit des Rundumschlags gegen das „Apotheken-Monopol“: „Die Apotheke um die Ecke wird nicht verschwinden. Aber mehr Marktwirtschaft hat sie bitter nötig ­– zum Wohle aller.“

Der Artikel beim Berliner Online-Magazin startet mit dem Vergleich zur Liberalisierung auf dem Drogeriemarkt. Durch eine Reform habe sich hier vor 50 Jahren viel getan, Drogerieketten wurden gegründet, Synergien freigesetzt. Profitiert hätten am Ende die Verbraucher:innen, denn die Umwälzung habe die Qualität erhöht und die Preise fallen lassen. Apotheken seien hingegen altbacken wie eh und je.

Schlüsse, die auch so manche:r aus der Apothekerschaft bereits gezogen hat, zieht auch „The Pioneer“: Lauterbach wolle die Apotheken modernisieren und bewege sich damit auf Forderungen vom dm-Chef Christoph Werner zu. Das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) könne den „verkrusteten Markt aufbrechen“ so der Tenor. „Schützenhilfe“ bekäme die Apothekerschaft bei ihrem Widerstand von der FDP. „In ihrem Einsatz für die Apotheker schreibt die FDP plötzlich Gesundheitsservice groß – und Marktwirtschaft klein“, so der Artikel vom Samstag.

Reform mit „bedeutsamen“ Folgen

Ähnlich wie auch Lauterbach schiebt der „Pioneer“ anschließend die gravierend sinkenden Apothekenzahlen auf „die hohen Markteintrittsbarrieren“, denn eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen würden vorschreiben, „wer auf den Markt darf und wer nicht“. Das solle eigentlich den Markt schützen, schütze aber gleichzeitig auch die Inhaber:innen vor Wettbewerb und garantieren Festpreisen und bremse den technologischen Wandel aus, so die Meinung der Autor:innen. Dass es aber vielmehr um die bestehenden Apotheken und nicht um die Neugründungen geht, ist auch hier wieder Nebensache.

Das Magazin habe mit Ökonomen, Politikern, Apothekern und Gesundheitsexperten gesprochen und anschließend vier „bedeutsame“ Folgen herausgestellt.

Apotheken ohne Approbierte

„Für die Apotheker ist dies der schlimmste Teil des Gesetzes“, so „The Pioneer“ und lässt Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening zu Wort kommen sowie Ina Hofferberth, Geschäftsführerin des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg. Beide machen deutlich, dass die Reform am Fremdbesitzverbot säge. „Die Apotheker fürchten, dass die apothekerlose Apotheke nur der erste Schritt zum Systemwechsel hin zur Drogerieapotheke ist“, schreiben die „Pioneer“-Autoren./p>

Die Apotheken-Position unterstützen würde Professor Dr. Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag. Dem Politiker gegenüber stellt das Magazin den Wettbewerbsökonom und früheren Vorsitzenden der Monopolkommission, Justus Haucap, der sich bereits seit 2011 für eine Lockerung des Fremdbesitzverbots einsetzt.

Sechs statt vier Standorte

Damit es eben keine Apothekenketten geben könnte, sei die Anzahl der Standorte wie schon bisher beschränkt. Neu sind die Zweigapotheken sowie die fallenden „geographischen Mauern“, die das ApoRG vorsieht. Für Overwiening wie für Ullmann sei das ein rotes Tuch. Anders sehe das hingegen Haucap: „Lieber ein Apotheker mit vielen Apotheken als gar keine Apotheke auf dem Land“, sagte er „The Pioneer“. Das Mehrbesitzverbot in geographischen Grenzen sei schließlich einer der Gründe für das Apothekensterben; die neue vorgesehene Regelung damit ein Lösungsansatz.

Dass nicht alle Apotheker dem grundsätzlich negativ gegenüberstehen, zeige Apotheker Dr. Gregor Müller aus der Albert-Schweizer-Apotheke in Düsseldorf: Die Entwicklung der Apotheken zu Unternehmen mit hohem Angebot rund um Arzneimittel und Medizinprodukte sei dringend notwendig. „Dafür sind größere Strukturen sowie eine Spezialisierung mehr als hilfreich“, zitiert ihn „The Pioneer“. Müller spricht hier aus Erfahrung, er gehört zum Acnos-Verbund, der mit fünf Apotheker:innen zwei Apotheken in Düsseldorf und zwei in Aachen betreibt.

Müller selbst ist dabei nur noch im Hintergrund tätig, wie er gegenüber APOTHEKE ADHOC sagt. Der Redakteur des „Pioneer“ schien vom Apothekenmarkt nur bedingt Ahnung zu haben, gegebenenfalls habe er auch schon eine vorgefertigte Meinung gehabt, so Müller. Denn auch wenn der Pharmazeut dem Mehrbesitz offen gegenübersteht, vergisst der „Pioneer“-Artikel einen Teil von Müllers Standpunkt: „Apotheke ohne Apotheker ist ganz schlecht. Zwingend muss der Inhaber auch Apotheker sein“, sagt Müller. „Aber ob das nun fünf oder sechs sind, dem würde ich offen gegenüber stehen.“

Müller hält die aktuelle Grenze von vier Apotheken für willkürlich gesetzt, sieht aber auch, dass die Grenze nicht nach oben offen sein dürfte. Im größeren Verbund seien Spezialisierungen aber nun einmal machbarer als wenn jeder Einzelne für sich mit den administrativen Aufgaben kämpfe. Groß denken ginge im Kleinen nicht. Größe könne aber Spezialisierung und Tiefe bedeuten, „und dann bekommen wir doch auch eine viel größere Qualität“, sagt der Apotheker. Das Light-Konzept lehnt er trotzdem ab: „Das ist zu kurz gedacht. Wo sollen denn die PTA herkommen? Wir hier in Düsseldorf finden zumindest einfacher Apotheker als PTA. Und wir sind doch alle Pharmazeuten.“ Ein Ausspielen der Berufsgruppen brauche es da nicht.

Geringere Kosten durch weniger Ausstattung

Auch hier greift der „Pioneer“ erneut die großen Hindernisse für den Eintritt in den Apothekenmarkt auf, statt sich auf den Erhalt der bestehenden Strukturen zu konzentrieren. Also wird der Vorteil hervorgehoben, dass nach den Reformplänen nicht mehr jede Filiale eine Rezeptur bräuchte. Das gehe bisher nur in den wenigen Zweigapotheken. Laut Haucap seien das teure und unnötige Doppelstrukturen.

Drogeriemarkt als Vorbild und Konkurrenz

„Spricht man mit Apothekern, Verbänden oder der FDP, herrscht oft die Sorge vor der Totalkommerzialisierung der Apotheke durch das Lauterbach’sche Gesetz“, so die „Pioneer“-Autoren. Doch warum sollte nicht auch Unternehmen wie dm oder DocMorris am Wohl ihrer Kunden gelegen sein, befindet das Portal. Auch Apotheker:innen hätten Profitinteressen, Privilegien bezüglich der medizinischen Versorgung gehörten zum Allgemeinwohl aller abgeschafft. „Wir sollten die Ausgabe von Medikamenten auf mehr vertrauensvolle Schultern verteilen und mehr Wettbewerb zulassen. Bekannte Drogerieketten können hier eine wichtige Rolle spielen“, so Haucap zum „Pioneer“.

Erst im Februar teilte dm-Chef Christoph Werner gegen den Apothekenmarkt in der heutigen Form aus. Gesundheit als Dienstleistung sehe er auch bei dm; da werde der Gesetzgeber früher oder später reagieren müssen, sagte er dem Tagesspiegel im Frühjahr. „Jeden Tag schließen ein bis zwei Apotheken in Deutschland, vor allem im ländlichen Raum. Viele Apotheker sagen, es rechnet sich nicht mehr oder haben keine Nachfolge. Bei der Frage, wie Gesundheit erschwinglich und verlässlich bleibt, können Drogeriemärkte mit ihrem bestehenden Filialnetz einen wichtigen Beitrag leisten“, so Werner vor wenigen Monaten. Beratungen, Diagnosen, Impfungen und auch die Abgabe von Arzneimitteln in den mehr als 2000 Filialen – Approbierte vor Ort brauche es dafür nicht.

Apotheke bei dm: „Die Gefahr ist real“

„Es ist nicht ausgeschlossen, dass ich einen Drogeriemarkt habe, der eine Shop-in-Shop-Lösung bietet“ – oder auch umgekehrt, denn immerhin sind auch Drogeriemärkte eher in hochfrequentierten Lagen zu finden als auf dem weiten Land. Dass dieses Modell kommen könnte, hält Rainer Seiler für durchaus realistisch. Er war früher Deutschlandchef von Zur Rose und berät heute Vor-Ort-Apotheken. Zur Rose kooperierte damals bereits unter seiner Führung mit der Drogeriemarktkette dm; „ich weiß, wie die ticken“, sagt er gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Die Äußerungen von Werner aus dem Frühjahr seien ernst zu nehmen, angesichts von Lauterbachs Reformplänen umso mehr. „Der sagt das nicht, wenn er nichts in der Schublade hätte“, ist sich Seiler sicher. Wie es ist, von außen „verändert zu werden“, habe die Apothekerschaft bereits schmerzlich beim Thema Versand gemerkt. Jetzt seien auch Fremdbesitz und Kommerzialisierung wieder Themen – „die Gefahr ist da, das würde ich als Apotheker auch nicht wollen“. Hier müsse rechtlich klar festgehalten werden, dass derartige Strukturen nicht entstehen können, sagt Seiler und rät den Apotheken, selbst Veränderungen voranzutreiben.

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