Was für eine Vorweihnachtswoche. Regierte im Vorjahr das Engpass-Chaos, sind es in diesem Jahr die Last-minute-Eckpunkte von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Trotzdem oder gerade deshalb: Jetzt erst einmal durchatmen und Kräfte sammeln.
Die Frage ist nicht, warum Lauterbach den Apothekerinnen und Apothekern ihr Weihnachten verdorben hat. Die Frage lautet vielmehr: Warum hätte er es nicht tun sollen? Die letzte echte Arbeitswoche im Jahr ist geradezu prädestiniert für schlechte gesundheitspolitische Nachrichten: Der Aufschlag sitzt, die Gegenwehr ist schwierig, und im neuen Jahr ist die erste Wut dann schon verdaut.
Demgegenüber muss sich die Abda fragen lassen, warum sie (wieder einmal) derart unvorbereitet in die Situation stolpern konnte. Ein bereits für die vergangene Woche angesetztes Treffen mit Präsidentin Gabriele Regina Overwiening wurde auf diesen Mittwoch verschoben – eigentlich ein Menetekel. Andererseits: Würde Lauterbach wirklich so unanständig sein, dann noch damit rauszugehen? Immerhin hatte er am Dienstag sein Pflegereformgesetz angekündigt – und noch später wäre nun wirklich ein offener Affront.
Ja, Lauterbach war so unanständig – und die Abda befand sich in Auflösung. Erhörte Forderungen, erste Kompromisslinien, mehr Sensibilität bei der Bundesregierung, so lautete die erste Einschätzung. Offenbar hatte man gehofft, dass man mit der angedeuteten Dynamisierung im Wege einer Verhandlungslösung wenigstens einen wichtigen Erfolg vorweisen konnte. „Apotheker öffnen sich für Lauterbachs Reformideen“, titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Das kommunikative Desaster war perfekt.
Hastig wurde eine am Donnerstag veröffentlichte Weihnachtsansprache von Overwiening gelöscht. In dem neunminütigen Clip hatte sie auf das Jahr zurückgeblickt, Erfolge wie die Postkartenaktion oder die Demonstrationen gelobt. Auch auf die aktuelle Lage war sie zu sprechen gekommen, die zwar nicht schön sei, aber wenigstens Licht am Ende des Tunnels zeige.
Dann schalteten sich immerhin noch die Gremien ein, die man das ganze Jahr über damit beschwichtigt hatte, dass man die Lage im Griff habe, Vorschläge gemacht und Eskalationspläne vorbereitet habe. Wie die aussehen? Geheim! Wo die roten Linien sind? Wird nicht verraten. Könnte sonst öffentlich werden und das Überraschungsmoment verderben. Hat ja gut geklappt.
Bei der Abda sollte man die Zeit zwischen den Jahren nutzen, um sich zu sortieren, eine Strategie zu erarbeiten und die Aufgaben neu zu verteilen. Denn so, wie es bislang gelaufen ist, kann es nicht weitergehen. Das hat die Apotheke als Institution nicht verdient, und das haben die zahlreichen engagierten Menschen nicht verdient, die tagtäglich mit viel Herzblut und Engagement die Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten übernehmen – und für bessere Bedingungen in diesem Jahr gleich mehrfach auf die Straße gegangen sind.
Und diesen Stolz auf das Erreichte darf man jetzt auch mit in die Weihnachtsfeiertage nehmen. Hatte Overwienings Vorgänger Friedemann Schmidt – heute freilich Abda-Ehrenpräsident – dem Berufsstand noch eine „gewisse Larmoyanz“ vorgeworfen (statt sich um die sich auftürmenden Probleme zu kümmern), haben die Apothekenteams in diesem Jahr gezeigt, wie sehr sie für ihren Beruf brennen und dass sie sich nicht von Möchtegern-Reformen (und auch -Standesvertretern) die Qualität und Zufriedenheit an ihrer Arbeit nehmen lassen wollen.
Die Botschaft lautet also: 2024 ist alles möglich. Man sollte sich von der gegenwärtigen Schwäche der Abda nicht täuschen lassen: Die Apotheken sind so stark wie lange nicht mehr. Mit den acht (!) Protesttagen haben die Teams gezeigt, wie ge- und entschlossen sie wirklich sind. Dieses Selbstbewusstsein gilt es, sich zu erhalten und dann gemeinsam gegen die dummen Ideen und faulen Kompromisse vorzugehen. Wie wäre es beispielsweise mit einer Urabstimmung?
Ein Sturm zieht auf, ja, aber davor brauchen die Apotheken keine Angst zu haben. Diejenigen, die solide Arbeit für ihre Patientinnen und Patienten leisten, können auf ein festes Fundament vertrauen. Wenn jemand hinweggefegt wird, dann ist es eher ein flattriger Minister. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!
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