DAK will Preiskontrolle bei Orphans Drugs Patrick Hollstein, 19.01.2022 14:04 Uhr
Für die DAK-Gesundheit sind Orphan Drugs vor allem ein zunehmendes Kostenproblem. Die Kosten für Arzneimittel zur Behandlung seltener Krankheiten hätten sich seit 2011 verfünffacht. Die Kasse fordert eine Nutzenbewertung, denn Orphan Drugs hielten oft nicht, was sie versprächen.
DAK-Chef Andreas Storm begrüßt die Verfügbarkeit neuer Therapieformen, kritisiert jedoch die Preisfindung insbesondere bei Orphan Drugs. Um „Mondpreisen“ künftig effektiv entgegenzuwirken, sollten solche Medikamente, die eigentlich bei Patientengruppen bis maximal 10.000 Personen zum Einsatz kommen, bei Markteintritt vollumfänglich der Nutzenbewertung unterzogen werden.
Seit Bestehen des AMNOG-Verfahrens hätten sich die Therapiekosten bei Orphan Drugs nämlich verfünffacht – von durchschnittlich 97.000 Euro pro Jahr und Patient auf zuletzt 540.000 Euro. Bereits jetzt kosten einzelne dieser Therapien über zwei Millionen Euro pro Patient – Tendenz immer weiter steigend. „Neue Therapien – vor allem auch gegen seltene Erkrankungen — sind ein Segen. Der rasche Zugang zu neuen Arzneimitteln kann Leben retten. Doch die Grundidee des AMNOG, Preise für diese neuen Arzneimittel anhand ihres Nutzens zu ermitteln, gerät immer mehr aus dem Fokus“, kritisiert Storm. „Wir brauchen dringend eine Neuregelung seitens der Politik, um den Zusatznutzen von Orphan Drugs zu erfassen. Nur so kann die bestmögliche Therapie für die Patienten gefunden und die Preisexplosion gestoppt werden.“
Gerade für neue Orphan Drugs würden vermehrt regelrechte Mondpreise aufgerufen – ohne, dass deren Zusatznutzen empirisch belegt sein müsse. „Diese Entwicklung droht das Solidarsystem an seine finanziellen Grenzen zu führen. Die Ampel-Regierung muss deswegen die Sonderstellung der Orphan Drugs in der angekündigten AMNOG-Reform zwingend überarbeiten.“
Laut DAK waren 28 Prozent aller seit 2011 neu zugelassenen Arzneimittel als Orphan Drugs eingestuft, 41 Prozent entfielen auf den Bereich der Onkologie. Allerdings stünden bei Markteintritt in der Regel zu wenige und qualitativ unzureichende Daten über den tatsächlichen Nutzen zur Verfügung, so die Kasse: Für knapp die Hälfte (46 Prozent) aller Orphan Drugs konnte seit 2011 demnach kein Zusatznutzen festgestellt werden, sobald sie sich einer regulären Nutzenbewertung unterziehen mussten. Einige Präparate seien auch bereits wieder vom Markt genommen.
„Das IQWiG spricht von einem ‚fiktiven‘ Zusatznutzen, der momentan so nicht immer gerechtfertigt ist. Die Regelung, dass Orphan Drugs einen solchen Zusatznutzen qua Existenz zugebilligt wird, muss auch angesichts der hohen Markteintrittspreise dringend auf den Prüfstand“, so Storm.
Aus Sicht der DAK-Gesundheit sollten auch für Orphan Drugs daher spätestens ab Markteintritt verpflichtend valide Daten zum Zusatznutzen erhoben werden. Bis die Datengrundlage für eine Evaluation des Zusatznutzens ausreichend ist, solle ein Interimspreis zwischen Herstellern und der Solidargemeinschaft gelten. Dieser müsse an klar definierte Kriterien geknüpft sein und so lange gelten, bis ausreichend Daten für eine Nutzenbewertung generiert wurden. Ein auf Basis dieser Daten vereinbarte Preis soll dann den Interimspreis ablösen.
Um den Anreiz zu setzen, möglichst schnell Daten zu generieren, sollte aber der nachträgliche Rückzahlungszeitraum beschränkt werden. So würde ein fairer Risikoausgleich zwischen Pharmaunternehmen und Krankenkassen und Versicherern geschaffen. Vor zwei Jahren hatte sich der heutige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für eine solche Interimspreis-Lösung stark gemacht.