DAK retaxiert Wiederholungstäter Nadine Tröbitscher, 08.01.2018 10:20 Uhr
Dass ein unbedeutender Formfehler eine große Bedeutung erlangen kann, zeigen Retaxationen von Betäubungsmittelverordnungen. Denn fehlt ein „A“ auf dem Rezept, kann der Patient Schaden nehmen. So lautet zumindest die Sichtweise der DAK. Obwohl nicht eindeutig geklärt ist, wie weit die Prüfpflicht der Apotheken reicht, bestraft die Kasse derzeit „Wiederholungstäter“.
Verordnungen von Rezepturen und Fertigarzneimitteln, die der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) unterliegen, müssen entsprechend gekennzeichnet sein, wenn die zulässige Höchstmenge für den Abgabezeitraum von 30 Tagen überschritten wird. Der Arzt muss die Rezepte mit dem Buchstaben „A“ versehen. Dies soll zeigen, dass dem Mediziner sein Handeln bewusst ist. Denn eine Überschreitung der maximal zulässigen Menge ist nur im begründeten Einzelfall und unter Beachtung und Einhaltung der Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs gestattet.
Im Klartext dürfen Ärzte für einen Zeitraum von 30 Tagen maximal zwei der unter § 2 Abs. 1 BtMVV, Buchstabe a gelisteten Arzneimittel bis zur aufgeführten Höchstmenge verordnen. Diese Grenze ist auch bei Verordnungen auf unterschiedlichen Rezepten für einen Patienten zu beachten sowie bei der Verordnung von unterschiedlichen Fertigarzneimitteln mit identischem Wirkstoff. Fehlt der Buchstabe, dürfen Apotheker das „A“ nach Rücksprache mit dem Arzt ergänzen – dabei muss das Zeichen auf allen drei Teilen der Verordnung nachgetragen werden.
Ein Blick auf die gelisteten Wirkstoffe verrät schnell den ersten Stolperstein. Lisdexamfetamin ist in Elvanse enthalten und die Höchstgrenze für 30 Tage auf 2100 mg festgelegt. Wird die Dosierung zu 70 mg in der Packungsgröße zu 30 Hartkapseln verordnet, ist die zulässige Höchstmenge bereits erreicht. Folgt die nächste Verordnung vor Ablauf der 30-Tagefrist, muss der Arzt also bereits die zweite Verordnung mit einem „A“ kennzeichnen. Tut er dies nicht und die Apotheke versäumt den Nachtrag, droht eine Retaxation. Denn das Rezept ist gemäß BtMVV nicht ordnungsgemäß ausgestellt – die Kassen können auf Null retaxieren. Die Kulanzregelung nach §3 Rahmenvertrag greift nur dahingehend, dass der fehlende Buchstabe ergänzt werden darf. Fehlen darf dieser jedoch nicht.
Oft sind es Formalien wie diese, die Apotheker teuer zu stehen kommen. Aber wer kann die Überprüfung der Höchstmengenüberschreitung lückenlos leisten? Der Apotheker nicht, denn der Patient kann schließlich frei wählen, in welcher Apotheke er sein Rezept einlöst. Bleiben also der Arzt, die Kasse beziehungsweise die Retaxzentren und die Bundesopiumstelle.
Die DAK hat sich der Sache angenommen und die Möglichkeit der Retaxationen genutzt – mit folgender Begründung: „Details, wie gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnungen auf Verordnungen von Betäubungsmitteln, tragen wesentlich zur Arzneimitteltherapiesicherheit bei und können nicht unbeachtet bleiben.“ Für die Kasse steht eine sichere Versorgung der Patienten im Mittelpunkt. „Die Anforderungen an die Verordnungs-Höchstmenge und deren Überschreiten dient offenkundig dazu, dem Missbrauch von Betäubungsmitteln entgegenzuwirken.“
Da stellt sich die Frage, inwieweit ein Fehlen des Buchstaben „A“ die Patientensicherheit und den Arzneimittelmissbrauch beeinflussen kann. „Die Kontrolle der Voraussetzungen im Zeitpunkt der Abgabe des Medikamentes hat daher eine besondere Bedeutung. Eine Nachlässigkeit kann gesundheitsgefährdende Wirkungen haben.“
Daher nutzt die Kasse unter vorgehaltener Hand nun die Möglichkeit, die entsprechenden Verordnungen, die nacheinander in ein- und derselben Apotheke beliefert wurden, zu überprüfen. Fehlt das „A“ beispielsweise auf einem Folgerezept, wird retaxiert. Wurde in unterschiedlichen Apotheken beliefert, soll keine Prüfung erfolgen. Das klingt vernünftig, zeigt aber auch, dass es der Kasse eben nicht um „gesundheitsgefährdende Wirkungen“ geht, sondern um Geld. Wie weit die Prüfpflicht für Apotheker tatsächlich reicht, ist bislang nicht genau geklärt. Abschließend sollte die Empfehlung also lauten: Lieber ein „A“ zu viel, als kein „A“ – und im Zweifel sollte der Buchstabe auf dem BtM-Rezept einen Platz finden.