Mit der unbedingten Abkehr vom „Weiter so“ gehen die Grünen in die Bundestagswahl. Das gilt auch für die Gesundheitspolitik. Was auf die Apotheken zukommt und warum sie sich darauf einlassen sollten, erklärt Dr. Janosch Dahmen im „Kandidatencheck“.
Dahmen lässt keinen Zweifel daran, dass die Grünen den Apothekenmarkt neu gestalten wollen. „Die bisherige Bundesregierung hat sich darauf konzentriert, den alten Bestand der Apothekenversorgung fortzuschreiben und nicht neue Formen der Apothekenversorgung in Gesetzgebung und Finanzierung aufzunehmen“, so seine Botschaft.
Damit meint er aber keineswegs eine radikale Liberalisierung, wie sie die Grünen vor einigen Jahren forderten: „Apothekenketten wären keine gute Lösung für unser Land“, so Dahmen. „Denn sie würden tatsächlich eine echte und gute Versorgung durch Apotheker:innen als Heilberufe mit direktem Bezug zu ihren Patienten schwächen – und damit unser Gesundheitssystem am Ende des Tages schlechter machen und die Versorgung der Menschen in unserem Land untergraben.“
Vielmehr gehe es darum, die Apotheken zu stärken, „indem wir erstens die Finanzierungrundlage anpacken und zweitens die Struktur der Apothekenlandschaft und das Arbeitsumfeld der Apotheker:innen stärker in den Blick nehmen“. So geht es für ihn darum, die „schleichende Zentralisierung“ durch die packungsabhängige Honorierung zu beenden: Bei größerem Umsatz sollten Apotheken nach seinem Modell geringere Pauschalen abrechnen dürfen. Denn bei der Weiterentwicklung der Apothekenlandschaft geht es aus seiner Sicht darum, „die Versorgung vernünftig sicherzustellen und gleichzeitig die Kompetenzen zu nutzen. Versichertengelder sollten im Sinne einer modernen Versorgung eingesetzt werden.“
Laut Dahmen muss die Politik auch unterversorgte Regionen ohne wohnortnahe Apotheke stärker in den Blick nehmen: „Wir müssen uns ehrlich machen: Wo gibt es eine Unterversorgung?“ Ein denkbares Modell für ihn wäre es, dass sich mehrere Apotheken aus der Region die Versorgung in kleinem Umfang in Form eines „Mehrfachbetriebs“ sichern.
Über eine Reform des Gesundheitsberufegesetzes will Dahmen die Eigenständigkeit der Apotheken stärken und diese deutlich als therapeutischen Beruf verankern. Seiner Meinung nach muss die Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen und Apotheker:innen dringend verbessert werden. Beratungsangebote müssten besser honoriert und die technische und organisatorische Kooperationen gefördert werden.
Die Digitalisierung dürfe dabei nicht über die Köpfe der Apotheker:innen hinweg durchgesetzt werden, sondern integral mit ihnen gemeinsam. „Wir brauchen ein E-Rezept, das wirklich nützt. Es hat kein Mehrwert, wenn man einen bisher funktionierenden analogen Prozess digital schlechter macht.“ Neben den Interessen der Patient:innen müssten auch die Belange der therapeutischen Berufe berücksichtigt werden. QR-Codes auszudrucken sei nicht die Digitalisierung, wie er sie sich wünsche: Vielmehr gehe es darum, den Transportweg intuitiv und zum Nutzen aller Beteiligten zu gestalten. „Wir müssen viel vernetzter denken und die Digitalisierung zur Verzahnung im Gesundheitswesen nutzen.“
Als Beispiel nennt Dahmen neben der Telepharmazie auch die anstehende Notfallreform: „Wir brauchen eine Vernetzung von Notfallzentren und Notaufnahmen mit den Apotheken. Wir wollen den Nacht- und Notdienstfonds zu echtem Sicherstellungsfonds weiterentwickeln.“ Und um rund um die Uhr eine echte Versorgung zu gewährleisten, müsse man auch Notfallbotendienste einführen.
Gleichzeitig will Dahmen die Apotheken und ihre Mitarbeiter:innen nicht überfordern: „Wir müssen das Berufsbild attraktiver machen, indem wir die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unter Berücksichtigung von Wochenend- und Notdienst fördern.“
Auch eine Verlängerung des Pharmaziestudiums ist laut Dahmen erforderlich: Es gehe um das gesamte Spektrum der Beratung, aber auch um ethische Grundlagen: „Wir müssen die Apotheken fit machen für die neuen Herausforderungen.“ Als Beispiel nannte er das Thema Antibiotikaresistenz.
Janosch Dahmen ist erst seit einem Jahr im Bundestag, er rückte im November vergangenen Jahres für Katja Dörner nach. Von Hause aus Mediziner, war der 40-Jährige als Ärztlicher Leiter bei der Berliner Feuerwehr für die Corona-Bekämpfung zuständig. Als Abgeordneter ist er Mitglied im Gesundheitsausschuss.
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