Kommentar

Corona-Paket: Jetzt noch Apotheken stärken!

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Berlin -

Die Bundesregierung will mit Wumms aus der Corona-Krise kommen und hat dafür ein 130 Milliarden Euro schweres Konjunkturprogramm aufgelegt. Nach der Devise „Nicht kleckern, sondern klotzen“ verteilen Union und SPD nach bereits verabschiedeten dreistelligen Milliardenhilfen weiteres Geld über Land. Die Regierung hat mit dem brutalen Shutdown die Wirtschaft lahmgelegt, nun muss der Steuerzahler dafür blechen, dass der Laden wieder ans Laufen kommt. Das Paket ist ausgewogen, für jeden ist etwas dabei – und sogar die Gesundheitswirtschaft ist bedacht, kommentiert Lothar Klein.

Es ist schon etwas Besonderes, wenn es einer Regierung gelingt, trotz wochenlanger Diskussion doch noch mit einer Überraschung aufzuwarten. Die Senkung der Mehrwertsteuer um 3 beziehungsweise 2 Prozentpunkte hatte niemand auf dem Zettel. Damit verzichtet Finanzminister Olaf Scholz (SPD) mal eben auf gut 20 Milliarden Euro. Wenn es darum geht, die inländische Nachfrage anzukurbeln, ist die Mehrwertsteuer die richtige volkswirtschaftliche Stellschraube. Im Wettbewerb um die konkurrenzfähigsten Preise wird zumindest ein Teil davon beim Kunden ankommen. Auch die Krankenkassen werden bei den Arzneimittelpreisen entlastet, obwohl es konsequenter gewesen wären, Arzneimittel nur noch mit den verringerten Mehrwertsteuersatz von demnächst 5 Prozent zu belegen.

Auch die Beschäftigten in den Apotheken werden sich über die 300 Euro Corona-Prämie pro Kind freuen – allerdings nur mit einem lachenden Auge. Denn der Zuschlag zum Kindergeld muss versteuert werden. Vor allem PTA mit niedrigeren Einkommen bleibt unter dem Strich mehr davon übrig als den besserverdienenden Apothekern. So kann man das Konjunkturpaket Punkt für Punkt durchdeklinieren. Bei den Stromkosten sollen die Bürger entlastet werden. Dafür soll die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom-Anlagen ab 2021 über Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt abgesenkt werden, wie aus dem Beschlusspapier hervorgeht.

Die Große Koalition hat viele Adressaten bedacht und trotzdem richtige Schwerpunkte gesetzt. Symbolhaft dafür steht der Verzicht auf eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren. Stattdessen fördert die Große Koalition Zukunftstechnologien wie die Elektromobilität. Auch der Ausbau des schnellen 5G mobilen Internets und der Künstlichen Intelligenz (KI) wird bedacht. Das hätte die Regierung schon früher machen sollen. Hier besteht im internationalen Vergleich Nachholbedarf. Jetzt, wo zur Bewältigung der Corona-Krise auf ein paar Milliarden Euro nicht ankommt, stehen alte ideologische Grabenkämpfe nicht mehr im Weg.

Das gilt auch für den Gesundheitssektor. Längst hat die Gesundheitsbranche die Automobilindustrie als wichtigster Arbeitgeber abgelöst. Jetzt beginnt die Politik langsam zu verstehen, dass das Gesundheitswesen mit weiteren Sparrunden so nicht vorankommt. Es fehlen seit Jahren Fachkräfte, weil Pfleger und Krankernschwestern zu schlecht bezahlt sind – PTA im Übrigen auch. Die Corona-Pandemie hat schonungslos die Schwächen des Systems offengelegt. Wenn in einem der hochentwickelten Industrieländer wochenlang Schutzausrüstung nicht in ausreichender Menge vorhanden ist, ist etwas schiefgelaufen. Die Lehre daraus lautet: Den Gesundheitsmarkt darf eine auf sozialen Ausgleich bedachte Gesellschaft nicht allein den Marktkräften überlassen. Wohin das führt, kann man in den USA beobachten.

Daher ist es gut, dass die Regierung im Konjunkturpaket anstrebt, dass Deutschland im Bereich von medizinischer Schutzausrüstung, der Herstellung von Wirkstoffen und deren Vorprodukten sowie in der Impfstoffproduktion wieder über größere Kapazitäten und mehr Unabhängigkeit verfügen soll. Das ist leichter gesagt als getan. Dass dazu eine Milliarde Euro für die heimische Arzneimittelproduktion ausreicht, darf getrost bezweifelt werden. Aber es ist ein Anfang und vor allem der Beginn eines Umdenkens.

Die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist eine staatliche Aufgabe. Sich darauf wieder zu besinnen, muss Konsequenzen nach sich ziehen. Nur mit einer flächendeckenden Infrastruktur lässt sich dies in Krisenfällen sicherstellen. Die Apotheken haben in der Corona-Krise unter Beweis gestellt, dass sie zu dieser notwendigen Infrastruktur einen wichtigen Beitrag leisten. Das Apothekenstärkungsgesetz gehört naturgemäß nicht ins Konjunkturpaket. Aber: Die Rückbesinnung auf inländische Sicherungsnetze sollte auch hier noch einmal zum Nachdenken anregen. Man muss den Arzneimittelversandhandel nicht verbieten, um die Apotheken an der Ecke zu erhalten. Aber die Politik muss andere Wege finden, das flächendeckende Netz zu erhalten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich in der Corona-Krise als zupackender und lernfähiger Politiker erwiesen. Das sollte er auf seine Apothekenpolitik übertragen.

 

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