Inklusion

Corona-Krise: Ulla Schmidt attackiert Spahn Lothar Klein, 18.05.2020 14:11 Uhr

Mischt sich ein: Ex-Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) kritisiert ihren Nachfolger Jens Spahn (CDU). Screenshot Parlamentsfernsehen
Berlin - 

Es gehört zu den Gepflogenheiten des bundesdeutschen Politikbetriebes, dass Ex-Minister die Arbeit ihrer Amtsnachfolger nicht kommentieren und bewerten. Jetzt hat sich allerdings Ex-Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) als Bundesvorsitzende der Lebenshilfe zu Wort gemeldet. Die SPD-Politikern wirft Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, in der Corona-Krise Menschen mit Behinderung zu vernachlässigen. Inklusion sei in der Gesellschaft „noch längst nicht fest verankert“.

Die aktuelle Corona-Krise stelle alle Bürger vor noch nie gekannte Herausforderungen, schreibt Schmidt im Info-Dienst „Observer Gesundheit“. In den Beratungen zu den Maßnahmen zur Prävention der Infektion und zur Bekämpfung der Corona-Folgen würden die Belange von Menschen mit Behinderung aber nicht mitgedacht. Diskussionen darum würden schlicht nicht stattfinden. Der SPD-Politikerin ist es nach eigener Aussage „unverständlich, warum Unterstützungsmaßnahmen bei der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Behinderung und in der Unterstützung der Angehörigen nicht vom Bundesgesundheitsminister vorangetrieben werden“.

Schmidt fordert beispielsweise, dass das Pflegeunterstützungsgeld auch für erwachsene Menschen mit Behinderungen gelten müsse. Gegenwärtig sei es nur für Minderjährige vorgesehen, die nicht in ihre Einrichtungen gehen können. Die Inklusion sei in den Köpfen noch nicht angekommen, so Schmidt. Dabei spitzten sich die Herausforderungen bei Menschen mit Behinderung und ihren Familien in besonderer Weise zu.

Behinderte seien besonderen Risiken ausgesetzt, da sie wegen ihrer Vorerkrankungen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit auf schwere Krankheitsverläufe hätten und die präventiven Maßnahmen schwieriger umzusetzen seien, da sie oft körpernahe Unterstützung brauchten. Zum anderen seien sie ohnehin stärker von Ausgrenzung und Isolation bedroht. Schmidt: „Für die Familien sind die Anforderungen bei der Betreuung ihrer Töchter und Söhne mit Behinderung, egal in welchem Alter immens: Die Unterstützungsmaßnahmen fallen fast komplett weg und sie müssen zumeist die Betreuung und ihr eigenes Berufsleben unter größten Schwierigkeiten zusammenbringen.“

Der schwierige Kampf für die Unterstützung von Menschen mit Behinderung, ihre Angehörigen und Unterstützer zeigt laut Schmidt deutlich: „Sie müssen nach wie vor für ihre Sichtbarkeit und ihr Recht auf gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gesondert kämpfen und ihre Rechte einfordern.“ Als Bundesvorsitzende der Lebenshilfe sage sie aber auch „ganz eindeutig, dass wir dankbar sind für die umfassenden Schutzmaßnahmen, die ergriffen wurden, um eine Covid-19-Infektion zu verhindern.“

So richtig und wichtig der Shutdown gewesen sei, so wichtig ist es jetzt aber auch, dass Beschränkungen gelockert würden und das öffentliche Leben unter Einhaltung von Abstands- und Hygienevorschriften wieder zugelassen werde. „Diese Lockerungen und das Aufzeigen von Lösungen im täglichen Umgang mit dem Corona-Virus müssen aber auch für Menschen mit Behinderung gelten. Auch und gerade für sie müssen Lösungen gefunden werden, wie sie wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben können und einem geregelten Tagesablauf nachgehen können“, so die ehemalige Bundesgesundheitsministerin.

Ulla Schmidt war von Januar 2001 bis zum Oktober 2009 Bundesgesundheitsministerin und ist mit acht Jahren und neun Monaten Amtszeit die bisher längste Amtsinhaberin in diesem Resort. Von 2013 bis 2017 war sie Bundestags-Vizepräsidentin.